Der Pakt der Liebenden
anbrach.
Unterdessen log Will die Cops am Unfallort an. Er erklärte den Polizisten, er hätte in Uptown einen Freund besucht und gesehen, wie ein Mann mit einer Schusswaffe in der Hand die Straße überquert habe. Er habe ihm etwas zugerufen, worauf sich der Mann umgedreht und die Waffe gehoben habe, als ihn der Laster erwischte. Keiner der anderen Zeugen schien sich an die Frau zu erinnern, die bei ihm gewesen war; sie konnten sich nicht einmal daran erinnern, den Mann beim Überqueren der Straße gesehen zu haben. Ihnen kam es so vor, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht. Selbst der Fahrer sagte, kurz zuvor sei die Straße noch frei gewesen, und im nächsten Moment sei der Mann unter die Räder seines Fahrzeugs geraten. Der Fahrer stand unter Schock, obwohl ihn zweifellos keinerlei Schuld traf. Die Ampel war grün gewesen, und er war nicht zu schnell gefahren.
Sobald er seine Aussage gemacht hatte, wartete Will eine Zeitlang in einem Café, beobachtete die Vorderseite von Carolines Mietshaus und das Treiben an der Unfallstelle und hoffte, die Frau mit dem fahlen Gesicht und den dunklen Augen zu sehen, aber sie kam nicht. Wenn sie um ihren Gefährten trauerte, dann machte sie es irgendwo anders. Schließlich gab er es auf, fuhr zu dem Motel, in dem sich Jimmy und Caroline aufhielten, und erzählte Jimmy alles, während Caroline schlief.
»Er hat mir von der Schwangerschaft erzählt, der Frau und dem toten Mann«, sagte Jimmy. »Er ist immer wieder darauf zurückgekommen, wie der Typ aussah, und hat versucht zu erklären, was an ihm so … merkwürdig war.«
»Und zu welchem Schluss kam er?«, fragte ich.
»Fremde Kleidung«, sagte Jimmy.
»Was soll das heißen?«
»Hast du schon mal jemand gesehen, der einen Anzug trägt, der ihm nicht gehört, oder in geliehene Schuhe zu schlüpfen versucht, die eine Nummer zu groß oder zu klein sind? Tja, genau das war nach Aussage deines Vaters das Merkwürdige an dem Toten. Es war, als hätte er sich den Körper eines anderen geborgt, der aber nicht so passte, wie er sollte. Dein alter Herr hat daran rumgekaut wie ein Hund an ’nem Knochen, und das war das Beste, was ihm einfiel, aber erst Wochen später. Es war fast so, als hätte er gespürt, dass jemand in dem Körper von dem Typ lebt, aber nicht er selber. Was oder wer auch immer er einst gewesen war, war längst verschwunden. Dieses Ding hatte ihn aufgefressen.«
Dann betrachtete er mich und wartete auf eine Reaktion. Als keine kam, sagte er: »Ich würde dich am liebsten fragen, ob das deiner Meinung nach verrückt klingt, aber ich weiß zu viel über dich, um dir zu glauben, wenn du ›ja‹ sagst.«
»Habt ihr jemals seinen Namen erfahren?«, fragte ich, ohne darauf einzugehen.
»Von dem Typ war nicht viel übrig, anhand dessen man ihn hätte identifizieren können. Aber anhand der Beschreibung deines Vaters hat ein Zeichner ein Bild angefertigt, das ihm ziemlich ähnlich sah, und das haben wir verteilt. Volltreffer! Eine Frau meldet sich, sagt, er sieht aus wie ihr Mann, ein gewisser Peter Ackerman. Hat sie vor fünf Jahren sitzenlassen. Hat in einer Bar ein Mädchen kennengelernt, und das war’s. Das Komische dabei war, dass die Frau gesagt hat, so was wäre völlig untypisch für ihren Mann gewesen. Er war Buchhalter, ein Erbsenzähler. Hat sie geliebt, und seine Kinder. Er hatte seine festen Gewohnheiten und sich auch daran gehalten.«
Ich zuckte die Achseln. »Er wäre nicht der erste Mann, der seine Frau auf diese Weise enttäuscht.«
»Nein, vermutlich nicht. Aber wir sind noch nicht zu dem seltsamen Zeug gekommen. Ackerman hat in Korea gedient, deshalb konnte man schließlich seine Fingerabdrücke überprüfen. Aber seine Frau konnte uns eine ziemlich gute Beschreibung liefern, da sein Gesicht ja weg war. Er hatte ein Tattoo von der Marineinfanterie am linken Arm, eine Blinddarmnarbe am Bauch, und an seiner rechten Wade fehlte ein Stück Fleisch, wo ihn am Chosin Reservoir eine Kugel erwischt hatte. Die Leiche, die man unter dem Laster hervorgezogen hatte, wies all diese Merkmale auf und noch ein weiteres. Allem Anschein nach hatte er sich noch ein Tattoo machen lassen, seit er seine Frau und seine Kinder verlassen hatte. Na ja, nicht unbedingt ein Tattoo. Eher eine Art Brandzeichen.«
»Ein Brandzeichen?«
»Es war in seinen rechten Arm eingebrannt. Schwer zu beschreiben. Ich hatte so was noch nie gesehen, aber dein alter Herr ist der Sache nachgegangen. Er hat rausgefunden, was es
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