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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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wollte. Und da hab ich allmählich begriffen, und ich habe angefangen, mir Sorgen zu machen.«
    Er runzelte die Stirn, und ich erkannte, dass er selbst jetzt noch, Jahrzehnte später, an diesem Teil der Geschichte zu kauen hatte.
    »Wir waren eines Abends im Cal’s, als Will mir erzählte, dass Caroline Carr davon überzeugt wäre, sie würde gejagt. Ich habe zuerst gedacht, er macht Spaß, aber dem war nicht so. Dann hab ich mich gefragt, ob ihm das Mädchen einen Bären aufgebunden hat. Du weißt schon, hilflose junge Frau, böse Männer am Horizont, ein beschissener Freund vielleicht oder ein durchgedrehter Exmann.
    Aber so war es nicht. Sie war davon überzeugt, dass der oder das, was ihr nachstellte, nicht menschlich war. Sie hat von zwei Leuten geredet, einem Mann und einer Frau. Sie hat deinem Vater erzählt, sie hätten ein Jahr zuvor angefangen, sie zu jagen. Seither wäre sie vor ihnen auf der Flucht.«
    »Und mein Vater hat ihr geglaubt?«
    Jimmy lachte. »Soll das ein Witz sein? Er mag ja sentimental ­gewesen sein, aber ein Dummkopf war er nicht. Er hat gedacht, sie spinnt. Er hat gemeint, er hätte den größten Fehler seines Lebens gemacht. Er sah sie schon vor sich, wie sie ihm nachstellt, mit Knoblauch und Kruzifixen behängt bei seinem Haus aufkreuzt. Dein alter Herr mag ja ein bisschen von der Rolle gewesen sein, aber noch hatte er seine Sinne beisammen. Daher, nein, er hat ihr nicht geglaubt, und meiner Meinung nach wollte er sich aus dem ganzen Schlamassel befreien. Vermutlich ist ihm auch klargeworden, dass er bei seiner Frau sein sollte, dass er keines seiner Probleme löst, wenn er sie verlässt, dafür aber einen ganzen Haufen neuer bekommt.
    Dann hat ihm Caroline erzählt, dass sie schwanger wäre, und für ihn brach die Welt zusammen. Sie hatten ein langes Gespräch an dem Abend, nachdem sie in der Klinik war, um sich untersuchen zu lassen. Sie hat nichts von einer Abtreibung erwähnt, und dein Vater, das muss man ihm lassen, auch nicht. Und zwar nicht nur, weil er Katholik war. Ich glaube, er hat immer noch an das kleine Mädchen gedacht, das unter einem Haufen Mäntel begraben war, und an die Fehlgeburten seiner Frau. Selbst wenn es das Ende seiner Ehe bedeuten würde und ein Leben voller Schuld, dachte er nicht daran, einen Schwangerschaftsabbruch vorzuschlagen. Und Caroline, weißt du, die ist ganz ruhig geblieben. Nicht unbedingt glücklich, aber ruhig, so als wäre die Schwangerschaft ein geringfügiger medizinischer Vorgang, etwas, das zwar beunruhigend ist, aber notwendig.
    Dein Vater, na ja, der war schockiert. Er brauchte frische Luft, deshalb hat er sie verlassen und einen Spaziergang gemacht. Nachdem er dreißig Minuten allein war, kam er zu dem Schluss, dass er mit jemandem reden wollte, deshalb hat er bei einem Münztelefon gegenüber von ihrer Wohnung Halt gemacht und wollte mich anrufen.
    Und dann hat er sie gesehen.«
    Sie standen Hand in Hand in einem Hauseingang in der Nähe eines Gemischtwarenladens – ein Mann und eine Frau, beide Anfang dreißig. Die Frau hatte schulterlange braune Haare und war nicht geschminkt. Sie war schlank und hatte einen altmodischen engen schwarzen Rock an, der auf Wadenhöhe leicht ausgestellt war. Eine dazu passende schwarze Jacke hing offen über einer weißen Bluse, die bis zum Hals zugeknöpft war. Der Mann trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Seine Haare waren hinten kurz, vorne lang, links gescheitelt und hingen ihm über das eine Auge. Beide starrten zu dem Fenster von Caroline Carrs Wohnung hinauf.
    Ihre Reglosigkeit war es, die Will auffiel. Sie waren wie Statuen, die man im Schatten aufgestellt hatte, wie eine zeitweilige Kunstinstallation an einer geschäftigen Straße. Ihre äußere Erscheinung erinnerte ihn an diese Sekten in Pennsylvania, bei denen man Knöpfe als Zeichen der Eitelkeit missbilligt. In ihrer absoluten Konzentration auf die Fenster der Wohnung erkannte er einen Fanatismus, der ans Religiöse grenzte.
    Und dann, während Will sie beobachtete, setzten sie sich in Bewegung. Als sie die Straße überquerten, griff der Mann unter sein Jackett, und Will sah, dass er eine Knarre in der Hand hatte.
    Er rannte los. Er hatte seinen 38er dabei und zog ihn. Das Paar war mitten auf der Straße, als irgendetwas die Aufmerksamkeit des Mannes erregte. Er bemerkte die nahende Gefahr und wandte sich ihr zu. Die Frau lief weiter, konzentrierte sich nur auf das Mietshaus vor ihr und das Mädchen,

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