Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
sie zu diesem gottverlassenen Ort brachte, genauso wie ich Fulcher und Gérard im Stich gelassen hatte. Ich kannte die beiden seit vielen Jahren; wir hatten gemeinsam so viel durchgemacht, außerhalb des Schlachtfelds und auch mittendrin.
Ich schloss meine Augen. Gérard, Fulcher, Oswynn: sie waren jetzt alle tot. Und ich war derjenige, der sie durch seine Dummheit getötet hatte.
Ich schluckte, wischte mir mit der Hand über die Augen, streifte die Feuchtigkeit ab, die sich zu bilden begann. Ich fragte mich, was mit Eudo und Mauger, Ivo und Hedo und dem ganzen Rest meines Conrois geschehen war, und betete, dass sie es ebenfalls geschafft hatten zu entkommen: dass sie und Lord Robert in Sicherheit waren.
Rollo unter mir wurde immer müder. Jeder Schritt schien langsamer, jeder Atemzug mühsamer zu sein als der davor. Ich wusste, wie er sich fühlte. Mir selber fielen fast die Augen zu, und meine Glieder wurden schwer, aber mir war klar, dass wir nicht stehen bleiben durften. Mehrere Male hörte ich ein Kriegshorn in der Entfernung einen langen und tiefen Ton ausstoßen, der die Nacht durchschnitt, aber ob es eines der ihren oder der unseren war, vermochte ich nicht zu sagen. Alles was ich tun konnte war weiterreiten, Rollo antreiben, jedes Mal, wenn er langsamer wurde, meine Fersen in seine Weichen graben.
Vor mir wählte Wace seinen Weg durch die Bäume sorgfältig aus. In der Dunkelheit war es schwierig, den Wildwechseln zu folgen, die sich gabelten und dann erneut gabelten und sich oft zurückzuschlängeln schienen. Wir hatten die ausgetretenen Pfade hinter uns gelassen, und das bedeutete, dass die Chance, dass die Engländer uns einholten, falls sie uns denn verfolgten, geringer war. Aber ich war nicht einmal sicher, ob wir in die richtige Richtung ritten – der Wald sah überall gleich aus, egal wohin ich schaute. Alles was wir wussten war, dass der Wind vorher aus Norden gekommen war, und deshalb achteten wir darauf, dass wir ihn so oft wie möglich im Rücken hatten und nach Süden ritten, in Richtung Eoferwic.
Denn falls es noch andere gab, die es geschafft hatten, Dunholm lebend zu verlassen, würden wir sie dort finden. In der Stadt Eoferwic, die im vergangenen Sommer den Engländern weggenommen worden und seitdem Guillaume Malet anvertraut war, einem der mächtigsten Grundherren in der Normandie, der hoch in der Achtung des Königs stand. Aber sie lag mindestens drei Tagesritte entfernt und wahrscheinlich mehr, wenn wir die Hauptstraßen mieden, denn wir kannten die Gegend nicht. Die alte Römerstraße wäre – falls wir sie finden konnten – gefährlich, auch wenn sie mit Sicherheit schneller war. Diese Strecke hatten wir auf unserem Marsch hierher genommen, ein Heer von fast zweitausend Mann unter Lord Robert. Ich fragte mich, was von diesem Heer jetzt noch übrig war.
Kurze Zeit später kamen wir auf eine Lichtung, auf der einmal eine große Eiche gestanden hatte, die jetzt allerdings gefallen war – vielleicht ein Opfer der Stürme in letzter Zeit. An dem einen Ende spreizten sich ihre gesplitterten Äste auf dem Boden. An dem anderen hingen ihre Wurzeln mit Erdklumpen dazwischen über der unebenen Grube, wo sie aus dem Boden gerissen worden waren.
Von irgendwo in einiger Entfernung kam ein Schrei, und ich erstarrte und brachte Rollo zum Stehen. Ich drehte mich um, merkte, wie die Anspannung in mir zunahm, und griff nach meinem Schwert, bis mir klar wurde, dass es nicht mehr da war. Die Stimme war aus der Gegend rechts von uns gekommen, aber von meinem Platz inmitten der Bäume konnte ich nichts sehen. Ich warf einen Blick auf Wace, aber er schien nichts gehört zu haben, denn er ritt weiter vorwärts.
»Wace«, sagte ich mit gedämpfter Stimme.
Er brachte sein Pferd zum Stehen. In seinen Augen stand ein Ausdruck von Ungeduld, aber andererseits war Wace nicht für seine Geduld bekannt. Seine Kiefermuskeln traten hervor, sein Visier war nicht eingehängt und hing von der Seite seiner Bundhaube herab.
»Was ist?«, fragte er.
»Ich habe jemanden gehört«, antwortete ich und zeigte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
Sein Gesicht wurde ernst, während er durch die Bäume zu schauen versuchte. Der Regen um uns herum fiel weiter. Sonst war alles ruhig.
»Du irrst dich«, sagte er und trieb sein Pferd wieder vorwärts.
Aber dann waren die gleichen Stimmen wieder zu hören, mindestens zwei, und sie riefen sich Wörter zu, die ich nicht verstand, die aber Englisch klangen. Sie
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