Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
aber sie sagte nichts. Die silbernen Reifen, die sie um die Handgelenke trug, leuchteten hell in der Morgensonne.
»Warum fragt Ihr?«
»Nur weil Ihr in diesem Fall wüsstet«, antwortete sie, »was es bedeutet, einen geliebten Menschen zurückzulassen.«
Ein Bild von Oswynn kam mir in den Sinn: ein Bild von ihr, wie ich sie in jener Nacht zuletzt gesehen hatte, als ihr die dunklen Haare über das lächelnde Gesicht fielen. Und ich erinnerte mich an den Moment, als Mauger vor mir in der Straße gestanden und berichtet hatte, dass sie tot sei, und ich spürte, wie etwas von dem gleichen Feuer, das mich damals verzehrt hatte, zurückkehrte.
»Ich weiß, was es bedeutet«, sagte ich und erhob mich von der Schiffskiste, um Beatrice mit brennenden Wangen gegenüberzutreten.
Sie starrte mich unbeeindruckt an, obwohl ich einen ganzen Kopf größer war als sie. »Das sieht man Euch nicht an.«
»Es gibt eine Menge, was man mir nicht ansieht«, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, was ich damit wirklich meinte. Ich wollte nur Worte haben, die ich ihr ins Gesicht schleudern konnte.
Sie lächelte wieder, obwohl es weniger ein freundliches Lächeln war als ein spöttisches – fast als verstünde sie das alles und weidete sich an meinem Unbehagen.
»Und was ist mit Euch?«, fragte ich, um die Aufmerksamkeit einen Moment lang von mir abzulenken. »Habt Ihr geheiratet?« Ich wusste nicht, warum sie nicht verheiratet sein sollte, falls sie so alt war, wie ich annahm – aber andererseits hatte ich sie in Eoferwic nicht mit einem Mann an ihrer Seite gesehen, und sie trug auch keinen Ehering an der Hand.
Eine goldene Haarsträhne hatte sich unter ihrem Schleier gelöst, und sie steckte sie sich hinter das Ohr. »Ein Mal«, sagte sie ruhig. »Es war vor der Invasion, vor vier Jahren. Wir wurden im Sommer verheiratet; er starb vor Weihnachten. Ich habe ihn nicht lange gekannt, aber das Ende war trotzdem hart zu ertragen.«
Oswynn war auch nicht lange mit mir zusammen gewesen, als sie starb: im Höchstfall eine Sache von Monaten.
»Das tut mir leid«, sagte ich.
Sie nickte, und eine Weile sprach sie nicht, als ob sie überlegte, ob sie meine Entschuldigung akzeptieren solle oder nicht.
»Vergesst nur nicht, dass Ihr nicht der Mittelpunkt der Welt seid, Tancred a Dinant«, sagte sie schließlich, und ihre Stimme hatte jetzt eine gewisse Schärfe angenommen. »Vielleicht denkt Ihr das nächste Mal besser nach, bevor Ihr den Mund aufmacht.«
Bevor ich etwas darauf erwidern konnte, machte sie auf dem Absatz kehrt und ging. Ich schaute ihr hinterher, überrascht durch die plötzliche Veränderung in ihrem Verhalten. Ich konnte nicht erkennen, was sie, was Aubert und Ælfwold von mir wollten. Ich hatte allerdings keine Zeit, mich zu wundern, weil der Wind die Richtung wechselte, und einer der Männer mir zurief, ich solle das Schiff mehr nach steuerbord herumbringen. Ich zog an der Ruderpinne und lehnte mit meinem ganzen Gewicht auf den Fersen dagegen, bis der Bug in die Sonne zeigte, deren voller Kreis jetzt über dem Horizont zu sehen war. Über uns kreisten noch die Möwen und stießen immer wieder kreischend herab.
Ein paar andere erwachten inzwischen, teilten ihr Brot untereinander und gossen sich Becher mit Ale ein, um mit ihrem Frühstück zu beginnen. Bald stand auch Lady Elise auf und schloss sich zusammen mit Beatrice Ælfwold im Gebet an. Neben mir auf der Plattform am Heck schliefen Wace und Eudo und die übrigen Ritter immer noch, genau wie auch der Schiffmeister, der sanft schnarchte.
Die Sonne stieg höher, und der Tag wurde heller. Aubert wachte nach einer oder zwei weiteren Stunden auf und setzte sich wieder an die Ruderpinne, auch wenn er nach wie vor erschöpft aussah. Die Ruderer nahmen ihre Plätze auf den Schiffskisten ein und fanden sich bald wieder in ihren Rhythmus, während der Schiffmeister einen trägen Takt auf der Trommel schlug und die Wyvern durch das stille Wasser glitt.
Es war noch am Vormittag, als Alchebarge vor uns auftauchte: zuerst als ein paar graue Rauchfahnen, die sich über den Horizont erhoben, dann als langer, mit Bäumen besetzter Höhenrücken, der sich über das weite Flachland zog. Auf unserer Steuerbordseite wand sich ein zweiter Fluss durch kahle Felder und an dichtem Gestrüpp vorbei, um sich mit der Use zu vereinigen und eine einzige ausgedehnte blaue Fläche zu bilden.
»Der Trente«, sagte der Schiffmeister zu mir. »Wo die beiden Flüsse sich treffen, beginnt der
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