Der Pakt der Wächter: Roman
christianisieren.
Die Sunniva-Höhle …
Wurde der Sunniva-Mythos erfunden, um zu verschleiern, dass es tief in der Höhle eine Grabkammer gibt?
2
Um die Mittagszeit lichtet sich der Nebel.
Ich sitze in einer der Arbeitsleiterbaracken und sehe mir die neuesten Fotos von der Ausgrabungsstätte an. Die Höhle ist von Felsrutschen und abgebrochenen Steinbrocken verwüstet. Trotzdem ist es uns gelungen, hinter dem Steinaltar der Grotte mehrere Tonnen Fels abzutragen und eine senkrechte Mauer aus grob zugehauenen Blöcken freizulegen. In der Mitte der Wand befindet sich ein Bogenportal, das aus kleineren runden Steinen gemauert ist. Das Portal ist versiegelt.
Heute Morgen um Punkt 11 Uhr wollen wir mit dem Durchbruch beginnen.
Ich höre Schritte und lege die Bilder weg. Die Tür geht auf. Das Gegenlicht hüllt sie in einen himmlischen Glorienschein und lässt sie wie eine Göttin aussehen, die zu uns Sterblichen herabgestiegen ist, um uns das ewige Leben im Paradies zu verkünden. Dabei ist es nur Astrid, die mir eine Scheibe Brot mit Gurke und Tomate bringt.
»Aufgeregt?«, fragt sie. Astrid ist Professorin am Altertumsmuseum und eine der renommiertesten Expertinnen des Landes für norwegische Klosterruinen.
In meinem Innern prickelt es.
3
Der Alarm heult steinerweichend.
Ich schrecke aus dem Schlaf auf und fahre in meinem Feldbett hoch, doch meine Sinne sind noch von einem Traum vernebelt, an den ich mich nicht mehr recht erinnern kann. Ich taste nach meiner Brille, bevor ich das Licht anknipse. Es ist halb drei.
Draußen sind Geräusche und Rufe zu hören.
Ich ziehe mich in Windeseile an, greife meine Krücken und hinke in die Nacht hinaus. Der Alarm hat automatisch die komplette Außenbeleuchtung eingestellt. Im Dunst der Nacht badet das Gelände in diffusem Licht. Es ist kalt und feucht. Die Wellen schlagen ans Ufer.
So schnell es mir die Krücken gestatten, humpele ich hinauf zur Baracke der Arbeitsleiter. Dort haben sich bereits etliche Leute versammelt, die aufgeregt mit den angeheuerten Nachtwächtern reden. Sie sagen, ein Wächter liege bewusstlos auf der steilen, engen Steintreppe, die zur Höhle hinaufführt.
Endlich gelingt es jemandem, den Alarm abzuschalten.
Im gleichen Augenblick startet ein Boot mit dröhnendem Motor.
Im Laufe der nächsten Stunden verschaffen wir uns einen Überblick über die Lage, ohne jedoch irgendetwas zu verstehen.
Jemand ist in die Höhle eingebrochen. Die Vorschlaghämmer, die sie hinterlassen haben, lassen darauf schließen, dass sie sich durch das Portal in die Grabkammer vorarbeiten wollten, die wir auf der anderen Seite vermuten.
Zum Glück haben wir dank meiner ewig misstrauischen Initiative alle Details über das Alarmsystem und die Bewachung geheim gehalten. Somit sind die Eindringlinge direkt in die simple Infrarotfalle oben bei der schmiedeeisernen Pforte am Eingang der Grotte getappt.
Als der Nachtwächter nach dem Rechten sehen wollte, wurde er niedergeschlagen.
Als wir ihn zur Baracke nach unten tragen, kommt er allmählich zu sich. Dort reinigen wir erst einmal die Platzwunde an seiner Stirn und verbinden ihn. Er kann sich erinnern, überfallen worden zu sein. Nicht aber, von wem.
Am nächsten Morgen fehlen drei Kollegen.
Michael Rennes-Leigh von der School of Archaeology an der Oxford-Universität, Paul-Henri de Chenonceau vom Institut de Papyrologie an der Sorbonne und Paolo Baigenti von der Universität Rom.
Ich kannte keinen von ihnen näher. Sie haben sich immer etwas im Hintergrund gehalten. Ihr Arbeitsbereich lag nicht oben bei der Höhle. Schon gar nicht mitten in der Nacht und noch dazu mit Vorschlaghämmern. Irgendwie ist es den dreien gelungen, sich in die Ausgrabungsarbeiten einzuschleusen. Ich gehe davon aus, dass sie für den Scheich arbeiten.
Der Ortspolizist hat uns informiert, dass das Boot, mit dem sie sich aus dem Staub gemacht haben, in Selja vertäut liegt. Der Leihwagen ist weg.
Eine Überprüfung bei den Universitäten ergibt, dass es sich bei allen dreien um frisch gebackene Stipendiaten handelt. Ihre Forschungsvorhaben werden allesamt von derselben Stiftung in Abu Dhabi in den Vereinigten Emiraten finanziert.
4
Um Punkt 11 Uhr beginnt der Durchbruch.
In der Höhle ist es feucht und kalt. Voller Erwartung stehen wir fröstelnd in einem Halbkreis um die Muskelpakete herum, die die Wand zerlegen sollen. Draußen im Nieselregen wartet eine gierige Horde Presse- und Fernsehleute.
Die Mauer ist dick
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