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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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und solide und wenig kooperationswillig. Aber schließlich löst sich der erste Stein und dann noch einer. Mit Spitzhacken schlagen wir die kleineren Stützsteine los, bis die Öffnung groß genug ist.
    Jemand hält einen Scheinwerfer in das Loch.
    Als ich klein war und mit meinen dünnen, blassen Fingern das Papier von meinen Weihnachtsgeschenken gerissen habe, schwelte in mir immer die prickelnde Hoffnung, dass genau dieses Geschenk noch großartiger und noch überraschender sein würde als jedes Geschenk, das ich zuvor bekommen hatte.
    Als ich durch die Öffnung krieche, die Lampe vor mir, um die bodenlose Dunkelheit zu erleuchten, bekomme ich endlich meine Belohnung.
    Astrid schiebt meine Krücken hinter mir her. Hinter mir ist alles still. Ich stehe auf und wische mir den Dreck von den Knien. Ich stehe auf einem Treppenabsatz und atme schwer.
     
    Nichts, absolut nichts hat uns auf das vorbereitet, was uns erwartet.

Die Höhle
     

1
     
    In dem schwachen Licht kann ich die Größe der Höhle nur erahnen. Zwei Säulenreihen aus Granit werfen Schatten an die Wände. Aus den Spalten in den Felsen hängen Bärte aus Moos und Wurzeln herab. Ein leichter Luftzug zieht über meine Haut.
    Das jahrhundertealte Dunkel wird von den zuckenden Lichtstrahlen derjenigen zerrissen, die mir mit ihren Taschenlampen folgen.
     
    Die Höhle quillt förmlich über von ägyptischen Schätzen.
    Unter dicken Schichten von Staub und Spinnweben funkeln kostbare Kästchen, Krüge und Schreine. Gold, Silber und Edelsteine. Leuchter. Schalen. Öllampen. Wandtafeln. Ornamente. Zepter. Fein geschliffene Schmucksteine. Diamanten. Rubine. Saphire. Smaragde.
    Statuen ägyptischer Götter und Pharaonen stehen geduldig wartend in einem Seitenflügel aufgereiht. Ich erkenne einige von ihnen. Anubis. Thutmosis. Amenhotep. Ramses. Horus. Echnathon. Thot.
    Ich bin überwältigt. Tränen rinnen über meine Wangen.
    Jemand klopft mir auf die Schulter. Ich beiße mir auf die Unterlippe, als ich meine Hand auf eine steinerne Säule an der Treppe lege. Die glatt geschliffene Fläche ist eiskalt. Ich bin so aufgewühlt, dass ich stehen bleibe, mich auf meine Krücken stütze und einfach nur vor mich hin starre. Hinter mir kommt Astrid durch das Loch geklettert. »Mein Gott, mein Gott!« Wie ich bleibt sie stehen, den Mund halb geöffnet, und starrt ins Dunkel.
    Über tausend Jahre lag die Grabkammer hinter Tonnen von Granit verborgen, versteckt hinter einer Mauer, die so dick war, dass sie mit dem Berg verschmolz.

2
     
    Vorsichtig, Stufe für Stufe, setze ich die Krücken vor mir auf den Boden und hinke die Treppe nach unten. Die anderen folgen mir mit ihren Bauleuchten und Taschenlampen. Unsere Begeisterung ist unüberhörbar.
    Inmitten der fünfeckigen Grabkammer stehen zwei akkurat als Sockel zugehauene Felsen.
    Einer davon ist leer.
    Auf dem anderen ruht der Olav-Schrein – der Sarg Olavs des Heiligen.
    Ohne ein Wort drehe ich mich um und tausche einen Blick mit Astrid. Ihre Lippen zittern.
    Respektvoll nähere ich mich dem Sarg. Diverse Ablenkungsmanöver haben ihm fast tausend Jahre Frieden beschert. Ich bleibe stehen. Nehme die Krücken in eine Hand und wische mit der anderen an einer Ecke die dicke Schicht Staub vom Deckel des Sarges.
    Zwei Kollegen nehmen die Sarghülle ab – ein Überbau ohne Boden, der als Schutz über den silbernen Schrein gestülpt worden ist.
    Trotz der dicken Staubschicht, die den inneren Sarg bedeckt, ist zu erkennen, dass die silberne Verkleidung des hölzernen Sarges schwarz angelaufen ist. Unter dem Belag sind Verzierungen aus Gold und Juwelen zu sehen.
    Der Sarg ist zwei Meter lang und einen knappen Meter breit und hoch. Der Deckel ist wie ein Hausdach geformt; die Giebel sind verlängert und enden an beiden Seiten in Drachenköpfen.
    Ich bleibe stehen und bewundere den Schrein.
    Wenn der Sarg erst gesäubert und konserviert ist, wird er international für Aufsehen sorgen. Die Bilder davon werden über die Fernsehschirme in den USA und Australien flimmern, in Japan und Burkina Faso. Sie werden die Titelseiten von Newsweek und Le País schmücken. Der Olav-Schrein mit den Überresten des heiliggesprochenen Wikingerkönigs ist eine archäologische Sensation.
    Hinter uns drängen sich immer mehr Kollegen in die Grabkammer. Alle reden leise. Wie in einer Kirche.
    »Die Bundeslade!«, flüstert jemand.
    »Unsinn«, belle ich. »Das ist der Olav-Schrein!«
    Jemand lacht.
    Mein Blick schweift vom Olav-Schrein zu dem

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