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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Philadelphia, in der die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterschrieben wurde, zum Verwechseln ähnelt.
    Am laufenden Band grüßt sie irgendwelche alten Kollegen. Hingerissen rufen sie ihren Namen, umarmen sie und nehmen sie von Kopf bis Fuß in Augenschein. Einige mustern mich fragend, als wunderten sie sich darüber, was Laura nun wieder angeschleppt hat. Sie stellt mich als einen der berühmtesten Archäologen Europas vor. Ich fühle mich dabei allerdings eher wie ein aus einer Glasvitrine entsprungenes Ausstellungsstück.
    Ich bin es gewohnt, dass die Leute mich anstarren. Meine Haut, mein Haar, alles ist weiß. Als ich klein war, haben die Kinder »Eisbär« hinter mir hergerufen. Erwachsene sind da etwas taktvoller. Aber all das Unausgesprochene sammelt sich in ihren Augen und ihren Blicken.
     
    Normalerweise hätten wir Bestellformulare für die Bücher und Manuskripte ausfüllen müssen, die wir ausleihen wollen. Aber die Lewinski-Sammlung ist so neu, dass sie noch nicht einmal in die Kataloge aufgenommen wurde. Laura hat deshalb einen Termin mit der verantwortlichen Konservatorin gemacht, Miranda Cartwright.
    Miranda ist groß, mollig und hat üppiges, feuerrotes Haar. Sie ist eine dieser Frauen, die immer freundlich und zuvorkommend sind, gerne lachen und flotte Sprüche machen.
    Wie ich kennt sie das Gefühl, angestarrt zu werden.
    Miranda ist Geheimhaltung und gebrochene Versprechen gewohnt. Daran, übersehen und vergessen zu werden, außen vor zu stehen, wenn die anderen Kinder einen lustigen Ringelreihen tanzen. Man sagt, das lege sich mit der Zeit. Aber das stimmt nicht. Miranda hat noch nie jemandem anvertraut, dass sie sich nachts in den Schlaf weint. Oder dass sie schon einmal in einer Badewanne gesessen hat, nackt, bei laufendem Wasser, die Rasierklingen nur einen kurzen Augenblick von dem Schnitt entfernt, der sie für immer erlösen würde. Ich sehe es ihr an. Sie ist genau wie ich; ein Stück menschliches Treibgut, das in dem Brackwasser unter einem Steg dümpelt. Sie überschminkt ihre Selbstverachtung mit einer Schicht aus vorgegaukeltem Glück. Natürlich sieht sie das Gleiche. Das ist unumgänglich. Wir empfindsamen Menschen sind Gedankenleser. Und darum ist ihr Lächeln auch anders, warm und voller zärtlichem, aufrichtigem Wiedererkennen, als sie meine Hand nimmt. Das kaum sichtbare Nicken verrät mir, dass sie weiß, dass ich eine dornenreiche Kindheit hatte und wie sie mit meinem Selbstbild hadere.
    » So welcome to Washington «, sagt sie mit einem Lächeln, dessen Tiefe nur ich verstehe.
    Miranda erzählt, dass die Bibliothek die Lewinski-Sammlung im Frühjahr des letzten Jahres übernommen hat, die Arbeit mit der Katalogisierung und Indexierung aber erst um Ostern herum begonnen hat. Der größte Teil der Sammlung umfasst Originalwerke aus dem 16. bis 19. Jahrhundert sowie Manuskripte, Briefe und Bücher aus dem Mittelalter.
    Ich frage Miranda, ob sie etwas von einem Brief weiß, der im 16. Jahrhundert verfasst wurde, verschlüsselt, und der über Bartolomeo Kolumbus von den karibischen Inseln nach Europa gelangt ist. »Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Sie auf dem Bogen drei Symbole finden. Anch, Ty und Kreuz. Da der Text in einem Code geschrieben wurde, erscheint er auf den ersten Blick unlesbar und unverständlich.«
    »Faszinierend«, sagt Miranda. »Aber leider. Das sind die Dinge, von denen wir alle nur träumen.«

3
     
    Mit einem Brecheisen öffnen wir die Holzkisten, in denen Maximilian von Lewinskis Sammlung lagert, gut geschützt von Holzwolle und zerknüllten Zeitungen, die davon künden, dass Deutschland sich für eine siegreiche Zukunft rüstet.
    Wir blättern in dicken, schweren Büchern, die nach Staub und verflossenen Gedanken riechen.
    Wir durchsuchen Folianten und ledergebundene Werke mit exotischen Ortsnamen und eingedruckten Jahreszahlen.
    Wir durchkämmen spröde Protokolle und Inkunabeln – alte Drucke aus der frühesten Zeit des Buchdrucks -, Postillen, Kataloge, Karten, Briefe und Enzyklopädien.
    Aber den Brief der Wächter finden wir nicht.
     
    Als wir in der Kongressbibliothek fertig sind, nimmt Laura ein Taxi zurück in ihr Hotel, während Miranda sich in die Einsamkeit ihrer Wohnung begibt.
    Ich bin beim FBI vorgeladen.
    Das habe ich Ragnhild zu verdanken. Als ich sie vom Flughafen Gardermoen angerufen und ihr erzählt habe, dass ich auf dem Weg in die USA bin, hat sie darauf bestanden, dass mir auch hier Polizeischutz zuteilwird.
    Wenn

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