Der Pakt der Wächter: Roman
Beatriz.
Etwas entfernt, in dem Flügel, in dem die Bediensteten untergebracht sind, verlöscht hinter einem Fenster das Licht.
»Basierend auf dem Wissen über Theologie, Geschichte, Politik und Sprachwissenschaft, haben Theologen sämtliche Kapitel in den Moses-Büchern auseinandergenommen und versucht, sie in ihren passenden Kontext einzufügen«, sagt der Konservator. »Im Laufe dieses Prozesses sind die Theologen zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Moses-Bücher aus noch mehr und noch komplexeren Quellen als dem JEPD zusammensetzen.«
»Und wer hat sie nun geschrieben, diese Moses-Bücher?«, will ich wissen.
6
Mein Handy klingelt.
Anfangs ignoriere ich es. Schließlich bin ich nicht der Sklave meines Telefons. Außerdem bin ich neugierig auf Moses. Dann fällt mir ein, dass nur die Leute, die wirklich mit mir in Kontakt treten müssen, meine Nummer bekommen haben.
Es ist Professor Llyleworth. Er ist aufgewühlt. Das SIS hat Ermittlungen angestellt. Ein gewisser Jamaal Abd-al-aziz – Hassan – ist vor gut einer Stunde an Bord eines American-Airlines-Fluges von Miami nach Santo Domingo gegangen.
»Woher weiß er, dass ich hier bin?«
»Der Geheimdienstapparat des Scheichs kennt keine Grenzen.«
»Was soll ich tun?«
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Das ist das Sicherste.«
»Das Sicherste? Wenn Hassan auf dem Weg hierher ist?«
»Ich habe bereits mit Esteban Rodriquez gesprochen. Man ist bereits dabei, die Sicherheitsstufe für den Palast hochzufahren und zu verschärfen.«
Ich erzähle dem Konservator und Beatriz von Hassan. Sie sind der gleichen Meinung wie der Professor, dass eine Flucht riskanter wäre als mein Bleiben.
»Er wird Sie in jedem Fall finden«, sagt Beatriz. »Aber hier sind Sie zumindest sicher untergebracht.«
Ich starre in den großen, dunklen Park.
»Da draußen sind so viele Alarmanlagen«, sagt der Konservator, »dass jeder Eindringling schon geschnappt ist, ehe er den Zaun überwunden hat.«
7
»Zurück zu den Moses-Büchern«, sage ich und leere mein Weinglas in einem Zug. »Wer hat sie geschrieben?«
Beatriz füllt mein Glas nach. »Die Theologen operieren mit mindestens vier Hauptquellen, aber in Wirklichkeit sind es viel mehr«, sagt sie.
»Der Jahvist – der für Gott konsequent den Namen Jahve benutzt – ist der erste Theologe und literarische Meister des Alten Testaments«, sagt der Konservator. »Er hat ungefähr 900 v. Chr. gelebt und ist verantwortlich für die grundlegende Struktur und das geniale Grundgerüst der Bücher Mose. Er verlieh den Mythen und Geschichten des Altertums eine neue, epische Form und einen theologischen Sinn. Die Perspektive des Jahvisten, sein Erzählgriff, die Wortwahl, der literarische Stil und die religiöse Haltung weisen darauf hin, dass er Judäer war. Alle seine Helden stammen aus Judäa. Vermutlich war er Schreiber am Hof in Jerusalem, möglicherweise am Hof des König Salomo.«
»Der Elohist – der Gott Elohim nennt und nicht Jahve – schrieb etwa hundert Jahre später die Entgegnung der Israeliten auf den Jahvisten«, fährt Beatriz fort. »Alle Helden des Elohisten waren Israeliten, keine Judäer. Er ersetzte die judäische Perspektive durch die israelitische.«
»Die Priesterschrift «, sagt der Konservator, »wurde von einer Gruppe Priester aus Judäa verfasst, in der Zeit nach dem Bau des Zweiten Tempels – fünfhundert Jahre v. Chr. – und bevor Jerusalem in die Hände der Babylonier fiel. Auch die Priester hatten ihre eigene theologische und politische Agenda.«
» Das Deuteronomium , das fünfte Buch Mose, wurde im 7. Jahrhundert vor Christus geschrieben«, sagt Beatriz. »Viele glauben, dass das Deuteronomium von ebenjenem Propheten Jeremia aus dem Alten Testament verfasst wurde.«
Irgendwo im Palast schlägt eine Tür. Der Konservator verstummt. Esteban Rodriquez tritt auf die Terrasse. »Hier seid ihr also«, sagt er außer Atem und sieht mich an. »Sie haben es mitbekommen?«
»Professor Llyleworth hat mich eben verständigt.«
»Wir haben die Sicherheitsvorkehrungen im und um den Palast verstärkt und zusätzliche Sicherheitskräfte angefordert. Außerdem wurde die Überwachung der Parkanlage verschärft.«
»Danke. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten bereite. Wenn Sie es für richtiger halten, dass ich gehe …«
»Denken Sie gar nicht erst daran!« Sein Blick gleitet von Beatriz zu den Weinflaschen. »Gut. Ich will Sie nicht weiter stören. Ich muss mit
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