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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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gepflasterten Weg, der an Springbrunnen und Marmorstatuen vorbeiführt, die ihren Blick in die Ewigkeit gerichtet haben. Der Park ist wie ein dichter Wald, der mit dem Dunkel verschmilzt. Ich höre Rascheln im Laub und ein Gurren und Heulen wie im Urwald. Das müssen die Geschöpfe der Nacht sein. Esteban geleitet mich zu einem Schotterweg, der durch einen Blumengarten führt. Inmitten des farbenfrohen Blütenteppichs, der von versteckten Lampen angestrahlt wird, steht eine meterhohe Steinsäule.
    Ein Runenstein.
    Ich fahre mit den Fingerkuppen über die von den Jahrhunderten beinahe verwitterten Zeichen. Rune für Rune übersetze ich im Kopf:
     
    Thord ritzte diese Runen in einem Reich fern der Väter Land
Über sturmgepeitschte Meere und fremde Gebirge
Durch Wälder und über hohe Gipfel
Brachten wir das Heiligtum
Das zu bewachen wir geboren sind
Unter der Götter Gnade
Wie Asim es befohlen
Zur Insel der Sonne
Hispaniola
1503

    In der Mitte des Parks, umgeben von Blumen und einem hohen, schmiedeeisernen Zaun mit langen, scharfen Spitzen, steht ein weißes Mausoleum.
    An den Wänden sind Friese aus rotem Stein, aber keine Fenster. Die Deckenkuppel ist aus Kupfer, der Grünspan angesetzt hat.
    Vor der Tür bleiben wir stehen. »Folgen Sie mir«, sagt Esteban, zieht eine Fernbedienung aus der Tasche und drückt einen Knopf. »Ein zusätzliches Netz aus Bewegungsmeldern, nur zur Sicherheit«, sagt er. »Falls jemandem das Kunststück gelingen sollte, die drei äußeren Gitter, die Bodensensoren, die Überwachungskameras, die Infrarotstrahlen, die Detektoren und Hunde zu überwinden.«
    Er presst sein Auge auf einen Irisscanner und tippt einen Code ein, dann öffnet sich das schmiedeeiserne Tor.
    Vor der Granittreppe, die zu dem Plateau vor dem Eingang führt, bleiben wir kurz stehen. In einem Fries in der Gabelung über der Tür erkenne ich die drei Symbole: Anch, Ty und Kreuz.
    Wir steigen die Treppe zum Eingang empor. Die alten, soliden Schlösser wurden durch ein Codeschloss ersetzt, das in den breiten Türrahmen eingelassen worden ist. Esteban tippt erneut einen Code ein, wartet ein bisschen und tippt einen weiteren Code.
    Die schweren Türen gleiten lautlos auf.
    Wir gelangen in einen Vorraum mit einem Mosaik am Boden. Wände und Decken sind mit Fresken, geschnitzten Rahmen und vergoldeten Ranken bedeckt. Hinter uns schließen sich die Türen. Das Schloss arretiert. Äußere und innere Tür können anscheinend nicht gleichzeitig geöffnet werden.
    Hinter der nächsten Tür führt eine breite Treppe zwei Etagen nach unten in einen weiteren Vorraum. Wieder muss er in einen Irisscanner blicken und einen Code eintippen.
    Die Tür öffnet sich.
    Wir gehen hinein.

4
     
    Mein Blick verirrt sich in der wunderschönen Unergründlichkeit des Mausoleums.
    Die hohe, weiß gekalkte Sternenkuppel wird von vierzehn marmornen Säulen getragen. Hinter den Säulen sind die Wände weiß und blank. Die Rotunde, die Säulen und die Kuppel bilden eine ätherische Harmonie. Während die Heilige Bibliothek und der Rest des Miércolespalastes mehr als üppig ausgeschmückt und dekoriert sind, ist das Mausoleum schlicht und blendend weiß. Und dabei unglaublich schön.
    Von außen wirkt die Grabkammer nicht sonderlich groß. Doch drinnen werde ich überwältigt von den monumentalen Dimensionen und Proportionen.
    In der Mitte des gefliesten Raumes steht ein goldener Sarg auf einem meterhohen Podium, von dem sich breite Treppenabsätze nach unten ziehen. In jeder Ecke brennen sieben Kerzen in meterhohen goldenen Leuchtern.
    Voller Ehrfurcht nähern wir uns dem Podium und dem Sarg. Das Klappern der Krücken entweiht den Raum fast, so dass ich sie unter den Arm klemmen und auf eigenen Beinen weiterhinke.
    Wir steigen die fünf Stufen des Podiums empor.
    Der Deckel des Sargs ist geöffnet. Er ruht auf vier Stützen aus Ebenholz.
    Im Sarg liegt die Mumie, die dünnen Arme vor der Brust verschränkt.
    Er ist in Leintücher gehüllt. Die Kopfform ist lang und spitz.
    »Das«, sagt Esteban, »ist Moses.«
    Obgleich ich das bereits verstanden hatte, verschlägt es mir den Atem, so dass ich mich plötzlich wie in einem kribbelnden Vakuum befinde, jenseits aller Gedanken. Mein Herz hämmert wild. Die unwirkliche, festliche Szenerie treibt mir Tränen in die Augen.
    »Moses …«, wiederhole ich voller Andacht.

5
     
    Im Inneren des Mausoleums öffnet sich eine Tür. Herein kommt Beatriz mit den gleichen Wachleuten, die den Konservator

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