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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Allmählich kann ich nachvollziehen, was sie meinen. In dem totalen Dunkel höre ich das Rieseln von Wasser tief in den Wänden, kratzende Krallen und den Schleim in den Lungenbläschen des Konservators. Ich rieche den Lauf der Zeit und den Urin in der Ecke. Ich schmecke meinen eigenen metallischen Atem und spüre den Fluss des Blutes durch meine Adern. Ich kann den Konservator nicht sehen, ahne aber die Kontur seiner Aura.
     
    »In der Bibel werden Ereignisse, die sich über mehrere hundert Jahre erstrecken, in einer dramatischen Kraftbrühe zusammengeköchelt«, sagt der Konservator. »Erst wenn sich alles im richtigen Tempo und in der richtigen Chronologie zusammenfügt, gibt es eine Begegnung zwischen Fakten und Mythologie.«
    »Zum Beispiel?«
    »Lassen Sie uns die zehn Plagen nehmen. Das Wasser des Nils, das zu Blut wurde. Enorme Vorkommen an Fröschen und Insekten. Haustiere, die sterben. Eiterbeulen. Hagelschauer. Dunkelheit. Erinnern Sie sich?«
    »Ja, sicher, ich bin zur Sonntagsschule gegangen.«
    »In biblischer Zeit zerriss ein gigantischer Vulkanausbruch die griechische Insel Santorin in zwei Teile. Die gesamte Mittelmeerregion wurde von Tsunamis heimgesucht. Vulkanische Asche wurde bis in die Stratosphäre geschleudert und verdunkelte die Sonne. Der lebensgefährliche Niederschlag sorgte für eine Klimakatastrophe. Tausende Menschen und Tiere starben. Der Nil war vergiftet. Die Fische wurden ausgerottet. Das ganze Ökosystem geriet aus dem Gleichgewicht. Die Insektenlarven konnten sich entwickeln, ohne von Fischen gefressen zu werden. Als die Larven schlüpften, sorgten die riesigen Insektenschwärme für einzigartige Lebensbedingungen für die Frösche. Verstehen Sie? Das hängt alles zusammen.«
    »Und was ist mit dem Exodus?«
    »Ein historisches Mysterium. Alles, was wir über die Flucht der Israeliten aus Ägypten wissen, geht aus dem zweiten Buch Mose hervor. Von historischen Ereignissen ausgehend, die sich archäologisch zeitlich einordnen lassen, wissen wir, dass der Exodus einige Generationen nach der Herrschaft von Pharao Thutmosis III. stattgefunden haben muss, der das Fundament für ein neues und mächtiges Ägypten schaffte. Das Land war reich wie nie zuvor. Sein Urenkel, Amenhotep III., ließ überall in Ägypten prächtige Bauten errichten. So baute er in Theben den Malkatapalast. Weiter im Norden, im Nildelta, befahl er den Wiederaufbau der zerstörten Stadt Avaris. Die neue Stadt bekam den Namen Pi-Ramesse – Pitom und Ramses – aber noch bekannter ist die Gegend unter dem Namen Gosen. In den Moses-Büchern steht, dass die Israeliten dem Pharao die Städte Pitom und Ramses als Vorratsstädte bauten 11 . Und an dieser Stelle nähern sich die Bibelgeschichte und die Archäologie einander. Laut dem zweiten Buch Mose waren die israelitischen Sklaven in ein gigantisches Bauprojekt involviert. Und die Archäologen haben bestätigt gefunden, dass am Wiederaufbau Pi-Ramesses ausländische Sklaven beteiligt waren.«
    »Das bedeutet …«
    »…dass Amenhotep III. der Pharao aus der Bibel war. Er war der Vater Echnatons, der die vielen ägyptischen Götter durch einen allmächtigen Gott ersetzen wollte.«
    »Da hatte er das gleiche Projekt wie Moses.«
    »Ganz genau. Und ich weiß, wer Moses war.«

Die Versprechen
     

1
     
    Draußen auf dem Flur sind schwere Schritte zu hören.
    Wir holen tief Luft und halten den Atem an.
    Ein Schlüssel dreht sich in dem widerspenstigen Schloss.
    Die Tür öffnet sich in einer Explosion aus Licht. Der Konservator und ich sind geblendet. Wir schützen unsere Augen mit den Händen vor den messerscharfen Lichtkegeln der Taschenlampen.
    Als meine Augen sich endlich an das Licht gewöhnt haben, sehe ich zum ersten Mal die Zelle. Sie ist nicht groß. Vier mal fünf Meter vielleicht. Der Konservator sitzt in einer Ecke. Die Wände bestehen aus riesigen Granitblöcken und der Boden aus ungleichmäßig behauenen, von den schlurfenden Schritten der Gefangenen glatt geschliffenen Steinplatten. Die Decke ist gewölbt.
    »Sie!«
    Einer der Wächter zeigt auf mich.
    Ich greife nach den Krücken. Der Konservator kommt mühsam auf die Beine, um mir zu folgen, aber sie schubsen ihn zurück und knallen die Tür wieder zu. Es klingt wie ein fernes, unwirkliches Hämmern, als er mit beiden Fäusten von innen gegen die Tür trommelt.
     
    Die Wächter lassen mich duschen und die Toilette aufsuchen. Aber der Gestank aus der Zelle hängt in meinen feuchten, verdreckten

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