Der Pakt der Wächter: Roman
Computerkompetenzen zu verfügen. In diesem Fall könnte es gut sein, dass sie Ihnen eine Mail geschickt haben – wahrscheinlich eine, die in Ihrem Spam-Filter gelandet ist und sich selbst gelöscht hat -, die automatisch das versteckte Programm auf Ihrem Rechner installiert hat.«
»Da stand nicht, von wem die Mail ist.«
»Absender und Datum lassen sich leicht manipulieren und fälschen. Theoretisch ist es möglich, den Server aufzuspüren, von dem die Mail verschickt wurde, aber auch hier gibt es clevere Mittel und Wege – etwa, indem man sich Zugang zu einem unzureichend geschützten Computer verschafft und die Mail von dort aus abschickt.«
Ragnhild bittet mich, den Inhalt der Mail so wortgetreu wie möglich aufzuschreiben.
Etwa eine halbe Stunde später steht sie mit einem Polizeitechniker vor meiner Tür, um den Computer abzuholen, doch ich bezweifle, dass sie irgendetwas finden werden.
5
Ich verlasse mein Büro am späten Nachmittag. Ich habe Angst. Der Ausdruck von Snorris Dokument steckt in einer durchsichtigen Plastikhülle unter meinem Hemd. Das Plastik klebt auf meiner Haut. Ich haste durch den langen Flur, über die Treppe in den Keller nach unten und raus an die frische Luft auf der Rückseite des Instituts. Das Sonnenlicht sticht wie glühende Nadeln in meine Augäpfel. Ich klemme die dunklen Gläser auf die Brille. Die Luft dampft spätsommerlich.
Von Blindern fahre ich mit der U-Bahn ins Zentrum. Dort laufe ich zu dem Parkhaus, in dem ich Bolla abgestellt habe.
Er sitzt auf einer Bank vis-à-vis dem Eingang und tut, als würde er in der VG lesen. Dabei lässt er die Glastür nicht aus den Augen, die sich automatisch öffnet und wieder schließt.
Ich finde es ziemlich erschreckend, wenn ich bedenke, wie viele Eingänge das Parkhaus hat. Wenn sie einen Eingang bewachen, werden sie auch an den andern Wachen postiert haben. Wie viele sind sie?
Ich biege um die Ecke und lasse Bolla allein und von Feinden umringt auf dem Parkdeck P2 zurück.
Wer sind sie? Hat Sira Magnus sich mit illegalen Sammlern eingelassen? Manche zahlungskräftigen Ausländer gehen weit, um sich Kleinodien vorbei an den formellen Verkaufskanälen zu sichern. Aber deswegen jemanden umzubringen? Für ein altes Pergament?
Oder etwa wegen der Information, die im Text verborgen ist?
Ich nehme die Straßenbahn nach Skillebekk und verstecke mich in einem Hauseingang in einer Seitenstraße.
Eine gute halbe Stunde später kommt Terje Lønn Erichsen. In seiner Schultertasche, die er schon seit seinem Studium hat, liegen eine Butterbrotdose aus Blech, eine Thermoskanne und ein Exemplar des Dagbladets, das er in der Straßenbahn gelesen hat. Er schlendert mit leichter Schlagseite die Straße entlang. Terje hat winzige Zähne, riesige Ohren und eine Halbglatze, die er durch einen Kranz langer Locken und einen imposanten Vollbart kompensiert.
Als er mich sieht, bleibt er stehen und grinst mich breit an.
»Bjørn! Trouble mit den Frauen?«
Wir Ironiker haben eine Stammessprache entwickelt, in der selbst die blutigsten Beleidigungen nett gemeint sind. Terje weiß ganz genau, dass ich, wie auch er selbst, seit Jahren nicht mal mehr in der Nähe einer Frau gewesen bin.
Diese Nacht verbringe ich bei Terje. Er findet es spannend, jemandem Unterschlupf zu gewähren, der auf der Flucht vor irgendwelchen mystischen Verfolgern ist.
Ich schließe nicht aus, dass er glaubt, ich würde mir das alles nur einbilden. Aber das ist okay so. Für ihn und für mich.
6
Schon seit meiner Kindheit habe ich einen Hang zu Hexen.
Ein merkwürdiger Hang, schon wahr. Meine Triebe sind noch nie den ausgetretenen Pfaden der Vernunft gefolgt. Dabei hatte ich am Anfang, als ich noch kleiner war, eine Heidenangst vor Hexen mit ihren schwarzen Umhängen, langen Nasen und Riesenwarzen, aus denen Haare wuchsen. Sie kochten übel riechende Zaubertränke in riesigen Kesseln und flogen bösartig und schrill gackernd auf ihren Besen durch die dunkle Nacht. Mit zunehmendem Alter, als meine Hormone sich zögernd aus ihrer Schale hackten, stellte ich fest, dass Hexen eine subtil erotische Ausstrahlung auf mich hatten, die mir weiche Knie bescherte.
Wobei ich meine Angst vor ihnen nie verloren habe.
Darum schnappe ich nach Luft, als ich auf der Fußmatte von Adelheid af Geierstam stehe.
»Bjørn Beltø?«, fragt sie kopfschüttelnd.
Ganz langsam lässt die Lähmung nach.
»Adelheid?«
»Treten Sie doch ein!«
Adelheid af Geierstam erfüllt
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