Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
Vom Netzwerk:
Klosterruine aus wie in der Zeit erstarrt.
    Der schlanke, von einer Reihe doppelter Säulen getragene Bogengang des Klostergartens wirft lange Schatten. Moos und dicke Grassoden wuchern auf den Arkaden.
    »Schön, nicht wahr?«, sagt Øyvind Skogstad.
    »Ein ganz besonderer Ort«, stimme ich ihm zu.
    Øyvind betrachtet die Ruine mit verschränkten Armen, als hätte er sie selbst gebaut. Er hat ein Forschungsstipendium in der kulturhistorischen Sammlung des Museums in Bergen, und ich kenne ihn seit einem Kongress über Kirchenkunst und Ikonographie, an dem wir beide 2003 teilgenommen haben. Øyvind stammt aus Os und hat beinahe jeden Sommer seiner Kindheit in der Gegend des Lyseklosters verbracht. Er ist fest davon überzeugt, dass es diese Ruine war, die in ihm das Interesse an Geschichte und Archäologie geweckt hat. Als ich ihn aus einer Telefonzelle am Bahnhof angerufen und gesagt habe, ich sei in Bergen und bräuchte seine Hilfe im Lysekloster, war ich mir seiner Zustimmung ebenso sicher, wie wenn ich einen Zehnjährigen auf die Kirmes eingeladen hätte.
    »Das Lysekloster birgt unzählige Mysterien«, sagt er in seinem südnorwegischen Akzent. Øyvind neigt zu einem gewissen Pathos. Im Gegenlicht blinzelt er mich zufrieden und erwartungsvoll an. Ich habe ihm versprochen, ihn in den Grund meines Kommens einzuweihen. Aber noch nicht.
    Um uns herum erhebt sich der Nadelwald hoch und dunkel.
    »Erzähl mir etwas über das Kloster«, bitte ich ihn. Eine höfliche Einladung zu einem Vortrag, der ohnehin kommen würde.
    »Gerne!« Er baut sich wie ein Touristenführer vor mir auf: »Das Lysekloster wurde 1146 auf Geheiß Bischof Sigurd von Seljas von den Mönchen von Fountains Abbey in England gestiftet und der Jungfrau Maria geweiht«, doziert er und schiebt seine runde, beschlagene Brille zurecht.
    »Warum hier? Mitten im Wald?«
    »Sieh dich doch um, Mann! Der Zisterzienserorden pflegte die Ruhe, die Kontemplation, die Stille. Die Mönche strebten das Asketische an, das Methodische, Praktische. Sie wollten hier den Boden bearbeiten, sich selbst mit Quellwasser versorgen. Dafür war die Lage perfekt.«
    »Du sagtest etwas von Mysterien?«
    »Bjørn, was weißt du über die Tempelritter?«
    »Ziemlich viel«, antworte ich. »Die Tempelritter waren ein mittelalterlicher, christlicher Militärorden, der 1119 von den Kreuzfahrern gegründet wurde – kurze Zeit nach der Gründung des Zisterzienserordens 1089 -, um die europäischen Pilger auf dem Weg nach Jerusalem zu schützen. Der König von Jerusalem gab den Rittern die Erlaubnis, ihren Hauptsitz auf dem Tempelberg zu errichten, auf den Ruinen des Tempels von Salomo. Die Tempelritter schufen die Grundlage für unser heutiges Bankwesen. Der Orden wurde so reich, dass die Ritter schließlich von dem französischen König massakriert wurden.«
    »An einem Freitag dem dreizehnten.«
    »1307«, ergänze ich, um zu zeigen, dass ich mitreden kann. »Es wird spekuliert, dass die Tempelritter ein historisches Geheimnis hüteten. So etwas wie die Gebeine Jesu oder den heiligen Gral.«
    »Oder ganz einfach – Wissen. Wusstest du, dass es jede Menge Verbindungen zwischen den Tempelrittern und den Zisterziensern gab?«
    »Zum Beispiel?«
    »Sie sind Schwesterorden. Und in etwa gleich alt. Aber eine Gemeinsamkeit ist besonders interessant: Bernard von Clairvaux.«
    »Du meinst den heiligen Bernard? Den französischen Abt?«
    »Ostern 1146 – das war das Jahr, in dem das Lysekloster gegründet wurde – hat Bernard von Clairvaux den Startschuss für den zweiten Kreuzzug gegeben. Der heilige Bernard war eine der mächtigsten Autoritäten der Kirche. Man nannte ihn die Stimme des Gewissens. Möglicherweise war er die zentrale Figur bei der Gründung des Zisterzienserordens. Ohne ihn würden wir heute wohl kaum hier im Lysekloster stehen.«
    »Und die Verbindung?«
    »Bernard war der Neffe eines Gründers der Tempelritter und wurde selbst zum Schutzpatron und zur kirchlichen Stütze des Ordens. Dank Bernard von Clairvaux wurden die Tempelritter auf dem ökumenischen Konzil in Troyes 1128 von der Kirche offiziell anerkannt. Gerade diese Anerkennung verhalf den Tempelrittern zu ökonomischem Wachstum und der Unterstützung durch wohlhabende Familien in ganz Europa. 1139 wurde der Ritterorden durch die päpstliche Bulle Omne Datum Optimum dem Papst persönlich unterstellt. Verantwortlich dafür war damals Papst Innozenz II. All jene Geistlichen, die dagegen aufbegehrten, dass Christen

Weitere Kostenlose Bücher