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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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landen wir irgendwann in Hel. Keiner lachte. Mit hoch über die Köpfe erhobenen Fackeln stiegen wir die Stufen hinunter. Schritt für Schritt näherten wir uns der letzten Kammer. Vom Fuß der Treppe führte ein Gang tiefer in den Felsen hinein. Nach hundert Schritten verbreiterte sich der Tunnel. Wir durchschritten einen Säulengang und waren endlich am Ziel.

     
    Die letzte Kammer quoll vor Schätzen nur so über. Saphire, Smaragde und Diamanten. Kerzenleuchter und Fackelhalter aus reinem Gold. Schwarze Katzen aus Alabaster, Vögel aus glitzernden Steinen, riesige Käfer, die gegossen oder aus Stein gehauen waren. Überall standen Tonkrüge mit Schriftrollen. Und das alles hast du deinem Vorfahren Håkon dem Guten zu verdanken, sagte ich. Die Männer waren damit beschäftigt, alles zusammenzusammeln, was ihnen wertvoll erschien. Die Statuen und Figuren aus Stein und Gips ließen wir stehen. Die Träger brachten Fischkästen vom Schiff herauf und füllten sie mit Wertsachen. Jetzt, da wir den Schatz gefunden hatten, beklagte sich niemand mehr über die Hitze oder die Schlepperei. Die Männer jubelten und lachten. Die Treppe war so eng, dass sie nur abwechselnd nach oben oder unten gehen konnten. Als der Schmuck und die Schätze weggebracht worden waren, forderte Olav die Träger auf, den verzierten Schrein mitzunehmen, in dem sechs Krüge mit Papyrushandschriften standen. Ich begriff zwar nicht, was er mit den Texten in einer ihm unverständlichen Sprache anfangen wollte, aber König Olav war ganz vernarrt in Schriften und Erzählungen. Und schließlich war der Schrein ja auch aus Gold.
    In der Mitte der Kammer stand ein solider Steinsarg zwischen vier verzierten Säulen. Mit großer Kraftanstrengung gelang es uns, den Deckel zur Seite zu schieben. In dem Sarg lag ein zweiter Sarkophag aus Quarz. Und in den Sarkophag war ein dick verstaubter Sarg eingelassen, in dem sich wiederum ein Sarg aus Zypressenholz mit Einlegearbeiten aus gefärbtem Glas und Schmucksteinen befand. Wir hoben den Zypressensarg heraus, stellten ihn auf den Boden und öffneten den Deckel. Darin lag die goldene Gussform eines toten Mannes, in der ein in Leinen gewickelter Leichnam ruhte. Der schlafende Gott, sagte Olav. Ich fand nicht gerade, dass die jämmerliche Gestalt etwas Göttliches hatte. Ich habe mir Götter immer eher kraftvoll wie Loki oder Odin vorgestellt. Wir legten die goldene Gussform mit der Mumie zurück in den Sarg aus Zypressenholz. Wir nehmen ihn mit, sagte Olav. Ich protestierte. Wir hatten mehr Gold und Kostbarkeiten in unseren Besitz gebracht als bei irgendeinem anderen Raubzug. Die Vorstellung, die Totenruhe eines fremden Gottes zu stören – und sei er noch so jämmerlich -, beunruhigte mich. Aber Olav war nicht zu erweichen. Er behauptete, davon geträumt zu haben, einen schlafenden Gott zu finden, der ihm für den Rest seiner Tage beistehen würde. Wie ihr wollt, Herr, sagte ich. Ich wusste, dass der König sich in einer solchen Stimmung nicht von seinem Vorsatz abbringen lassen würde. Wir sahen uns in der Grabkammer um. So würde ich auch gerne zur ewigen Ruhe gebettet werden, wenn meine Tage gezählt sind, sagte Olav. Ich antwortete spöttisch, dass er dann aber damit rechnen müsse, von Grabschändern wie uns in seiner Ruhe gestört zu werden.
    Und da tat Olav etwas Seltsames. Er nahm seine Halskette ab, eine schwere Goldkette mit dem Runenzeichen Ty als Anhänger. Tyrs Kriegersymbol sollte Olav Kraft und Mut im Kampf geben. Er legte die Kette in den leeren Sarkophag. Ich wollte ihn fragen, wieso er das tat, aber etwas hielt mich davon ab. Keiner von uns sagte ein Wort. Schweigend atmeten wir die drückende Luft ein. Der Goldschmuck des Königs wand sich in dem Sarkophag wie eine goldene Schlange. Wir verließen die Grotte und traten hinaus in die gleißende Morgenhitze.
     
    Im Morgengrauen, nachdem er eine Portion Grütze gegessen und einen Becher Wasser getrunken hatte, setzte er sich an das Schreibpult. Der metallische Geruch der Tinte war ihm vertraut, verursachte ihm gleichzeitig aber auch Ekel.
    Obgleich er sich kaum entsinnen konnte, worüber er am Vortag mit den Mönchen gesprochen hatte, erinnerte er sich an seine Zeit mit König Olav mit einem überwältigenden Detailreichtum. Nur zu genau waren ihm die Fliegenschwärme über den Blutlachen im Gedächtnis und der Geruch von Salz und Meer und dem beißenden Rauch, der in den Augen brannte, wenn sie die Städte in Brand steckten. Die angsterfüllten

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