Der Pakt der Wächter: Roman
Wir schützten uns gegen den Pfeilregen, indem wir unsere Holzschilde wie eine Wand und ein Dach vor und über uns hielten. Nur ganz wenige von uns wurden getroffen. Wir warteten unschlüssig ein paar Pfeilschauer ab und fragten uns, wann sie angreifen würden, aber am Ende wurden wir ungeduldig. Auf Olavs Kommando stürmten wir ihnen wie ein wild gewordenes Heer von Einheriern und Berserkern mit ohrenbetäubendem Gebrüll entgegen. Da warfen sie ihre Bogen weg und zogen ihre Schwerter und Speere. Die Schwerter waren zwar für den Nahkampf gemacht, aber wieder schienen sie eine andere Art des Kampfes gewohnt zu sein als wir. Ein Kümmerling von einem Mann stürmte auf mich zu. Ich wehrte ihn mit dem Schild ab. Als er ein zweites Mal angriff, schlug ich ihm den Arm ab. Da ließ er von mir ab. Gleich kam der nächste Blåmann angelaufen, suchte aber sofort das Weite, als ich das Schwert hob und losbrüllte. Als Nächstes kam ein schwarzer Hüne angestürmt, der spitze Knochen durch seine Nasenflügel, Lippen und Wangen gebohrt hatte. Er griff mit einer Axt in der einen und einem Schwert in der anderen Hand an. Endlich ein würdiger Gegner. Ich verteidigte mich mit meinem Schild und konnte ihm mein Schwert in den Bauch rammen. Die Verletzung bremste ihn nicht. Mit der Axt spaltete er mein Schild, während sein Schwert meine Schulter ritzte. Ich schlitzte seine Bauchdecke auf und legte die Därme frei. Erst jetzt sah der Hüne ein, dass der Kampf verloren war. Mit einem Seufzer sackte er auf die Knie. Ich verneigte mich und dankte ihm für den guten Zweikampf. Dann schlug ich ihm den Kopf ab.
Die Luft war geschwängert von Schreien und Gebrüll und dem beißenden Geruch von Blut. Ich sah mich nach einem neuen Gegner um, doch das ägyptische Heer war im Begriff, seinen Rückzug zu organisieren. Im Kampf Mann gegen Mann verließ sie der Mut der Gemeinschaft, niemand wollte sein Leben riskieren. Sie kämpften, als wäre es eine Pflichtübung. Wir verloren in dieser ersten Schlacht ein paar Hundert Männer.
Als sich die ägyptischen Einheiten in einer Staubwolke aus Ehrlosigkeit zurückgezogen hatten, setzten wir unsere Fahrt auf dem Fluss fort. Bald trafen wir auf eine weitere Einheit, zuerst auf dem Wasser, dann an Land. Alles spielte sich wieder genauso ab: Nach kurzem Kampf ergab sich auch dieses ägyptische Heer, so dass unsere Fahrt weitergehen konnte.
Wir segelten tagelang Richtung Süden den Nil hinauf. Der sich ewig hinziehende Wasserlauf spendete den Menschen, die in Steinhäusern, Lehm- und Schilfhütten an seinem Ufer lebten, Leben und Nahrung. Der Flusslauf wand sich wie eine Schlange durch eine Wüste aus Sand, Steinen und Felsen. Olav war beeindruckt über die Genauigkeit und Korrektheit der Karte. Jede Krümmung, die der Fluss machte, stimmte mit der Kopie überein, die die Mönche von dem ägyptischen Original angefertigt hatten. Die Männer an den Rudern klagten und beschwerten sich. Sie zogen das offene Meer und eine frische Brise vor. Kaum hatten sie die Boote nach links gewendet, ging es schon wieder in die andere Richtung. Immer und immer wieder. Zwischendurch liefen die Schiffe auf Sandbänke auf oder durchpflügten riesige, breiig grüne Pflanzenpolster. Tausende Menschen waren an den Ufern zusammengeströmt, und kleine Kinder rannten johlend neben den Schiffen her. Die vielen Handelsschiffe, die uns entgegenkamen, machten ehrfürchtig Platz.
Wir segelten Tag und Nacht. Abends streckten wir uns auf Deck aus und betrachteten den glitzernden Sternenhimmel, während wir sonnengereifte Früchte aßen, die wir an Land pflückten. Die Mondsichel lag fast waagerecht. Ein sonderbarer Anblick. Die Luft schwirrte von Insekten und den Geräuschen und Düften der Wüste.
Die Flotte erreichte den Palast in der frühen Morgendämmerung. Die detaillierte Beschreibung des alten Pergaments hätte genauer nicht sein können. Die Einfahrt in den Seitenkanal wurde von zwei Steinschakalen bewacht. Der große Tempel lag im Schutz eines Felsvorsprungs. Olavs Blick schweifte vom Ufer über den Palast die Felswand hinauf. Ja, ja, sagte er, jetzt sind wir hier. Ich stand neben ihm und schaute auf die Karte mit den verschnörkelten Zeichen. Alles sah genau so aus, wie dort beschrieben. Wo sind die Menschen?, fragte ich. Sie schlafen sicher, antwortete Olav. Ich wandte ein: Sie müssen doch Wächter haben! Olav sagte: Die Tempelwächter und die Priester sind die Wächter. Mehr brauchen sie nicht. Niemand weiß von
Weitere Kostenlose Bücher