Der Pakt der Wächter: Roman
kennt ihn wirklich.«
»Hast du etwas von ihm gekauft oder an ihn verkauft?«
Luigi mustert mich mit seinem gesunden Auge. »In meiner Branche ist Diskretion die Grundlage des Erfolgs. Es wäre indiskret, etwas über meine Kunden preiszugeben, ob Käufer oder Verkäufer.«
»Wir fragen uns bloß«, übernimmt Stuart, »warum der Scheich ein solches Interesse an dem Hohepriester Asim und dem Schatz hat, den die Wikinger geraubt haben? Hat er es in Wahrheit bloß auf den Schatz abgesehen? Oder auf die Mumie? Oder auf die Dokumente, die in den Krügen aufbewahrt worden sind?«
»Der Scheich war schon immer am Altertum und an Manuskripten interessiert.«
»Woher kennt er überhaupt die Geschichte von Olav dem Heiligen und Snorri?«
»Vielleicht hat er 1977 das National Geographic Magazine gelesen?«
»Kannst du uns weiterhelfen?«, fragt Stuart.
»Ich werde mal sehen.«
Stuart zwinkert mir zu. Mir wird klar, dass »mal sehen« in Luigis Welt »herausfinden« bedeutet.
»Glaub ja nicht, dass ich dir damit einen Gefallen tue«, fügt er voller Inbrunst hinzu, als wäre ihm unser selbstzufriedenes Lächeln sauer aufgestoßen.
»Nein, natürlich nicht«, sagt Stuart. »Es würde mir nicht im Traum einfallen, dass du etwas tust, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen.«
»Amico«, lacht er. »Du kennst mich. Mein Motiv – ja, ich nenne das Kind beim Namen -, mein Motiv ist einzig und allein der Eigennutz. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Scheich Ibrahims Schatzsuche keine kopflose Suche nach einem unbedeutenden Dokument eines Mönches aus dem 15. Jahrhundert ist. Scheich Ibrahim wittert das große Geld. Und wenn da wirklich das große Geld dahintersteckt, habe ich nichts dagegen, mich selbst an dem Tanz um das Goldene Kalb zu beteiligen.«
2
Der Lesesaal des Archivum Secretum Apostolicum Vaticanum – des geheimen Archivs des Vatikans – ist schmal und lang und die gewölbte Decke wie in einer Kirche mit Fresken verziert. In der Mitte des Raumes stehen unzählige Pulte, an denen jeweils zwei bis drei Forscher Platz finden, während die Wände bis in die zweite Etage hinauf voller Bücher stehen.
Eine Aufsichtsperson führt uns durch mehrere Hallen und Säle mit Holzvertäfelungen, Deckenmalereien und Bücherregalen aus dunklem Holz. Um uns herum sitzen in Gedanken versunkene, übernächtigte Gestalten.
Tomaso Rosselini ist ein kleiner, rundlicher Mann mit nussbraunen Augen, die neugierig durch eine viereckige, goldgefasste Brille schauen. Er erwartet uns vor der Tür seines Büros. »Sie sind also auch Freunde von Luigi«, sagt er konspirativ und begrüßt uns per Handschlag. Seine Mundwinkel deuten ein Lächeln an.
»Wer ist das nicht?«, kontert Stuart gewandt und verleitet Tomaso damit zu einem vollständig lautlosen Lachen. Man muss wohl schon einige Jahrzehnte als Bibliothekar oder Archivar arbeiten, um ein Lachen zu beherrschen, das niemand hören kann. Wir versuchen uns an ein paar höflichen Phrasen über die Inneneinrichtung und unsere Dankbarkeit für seine Hilfsbereitschaft, aber er schneidet uns mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab: »Luigi hat gesagt, Sie seien auf der Suche nach Dokumenten und Briefen, die mit dem ägyptischen Hohepriester Asim vom Amon-Ra-Kult zu tun haben und mit seiner Verbindung zum heiligen Olav. Darf ich, nur um meine Neugier zu befriedigen, fragen, warum Sie sich dafür interessieren?«
»Wir wollen dokumentieren, dass es einen engeren Kontakt zwischen der norwegischen und der ägyptischen Kultur gab als bisher angenommen«, sagt Stuart schnell und bleibt damit recht unkonkret. »Wir glauben, dass der altnordische Asenkult ebenso von der ägyptischen Gotteslehre beeinflusst wurde wie von der germanischen und keltischen Mythologie.«
Tomaso betrachtet uns, während die Festplatte eine Nanosekunde oder zwei braucht, um diese Informationen zu verarbeiten, zu katalogisieren und zu archivieren. Wir sind bestimmt nicht die ersten Forscher, die zu ihm kommen, um eine hoffnungslose Theorie zu beweisen.
»Ich habe einige Archivreferenzen in Bezug auf Personen, Themen und angrenzende Gebiete zusammengetragen. Aber aus verständlichem Grund – mir fehlt die Zeit – bin ich noch nicht dazugekommen, dieses Material selber zu sichten.« Er reicht uns drei Zettel mit Buchstaben, Zahlenkombinationen und Verweisen. »Die ältesten Referenzen sind neunhundertfünzig Jahre alt, aber es gibt Querverweise ins 12. und frühe 16. Jahrhundert.« Er
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