Der Pakt der Wächter: Roman
erklärt uns, was wir selbst finden können, sagt aber gleich, dass wir für das meiste die Hilfe der Archivare in Anspruch nehmen müssen, um es zu finden. »Unser Archiv umfasst die Sammlungen von hundertvierundsechzig Päpsten seit dem 5. Jahrhundert. Außerdem lagert hier nicht nur religiöser Stoff – Sie können hier alles Mögliche finden, von einer Mahnung Michelangelos bis zu den Liebesbriefen Heinrichs des VIII. Man sollte aber wissen, wonach man sucht. Das Archiv ist riesig. Aneinandergereiht ergeben die dicht bepackten Regale eine Strecke von über fünfundachtzig Kilometern. Ich muss Sie warnen. Nur ein Bruchteil der Texte ist übersetzt worden, und wenn, dann höchstens ins Lateinische.«
»Ich beherrsche Lateinisch, Griechisch, Koptisch, Hebräisch, Aramäisch und Altitalienisch«, sagt Stuart. Als er unsere verblüfften Gesichter bemerkt, fügt er hinzu: »Das ist ein Teil meiner Grundausbildung.«
3
Tomaso weist uns in den Lesesaal ein und begleitet uns danach ins Archiv. Große Teile des Materials befinden sich im Keller, wo sich die Reihen der Archivschränke bis in alle Ewigkeit zu erstrecken scheinen. Nachdem ein Konservator mühsam all das zusammengesucht hat, worum wir ihn gebeten haben, tragen wir zwei Pappkartons mit Schachteln, Heftern, Protokollen und Aktenordnern hinauf in den Lesesaal.
Dann beginnen wir zu lesen.
Stunde um Stunde sitzen Stuart und ich über den zerschlissenen alten Büchern und vergilbten Dokumenten und blättern uns durch Stoff, der nur äußerst vage den äußersten Rand unseres Rätsels tangiert.
In einem Dokument stoße ich auf einen Querverweis auf einen Brief von Generalmeister Stephanus Scannabecchi mit den Stichworten Noruega und Dollstein . Stuart blättert durch eine Bulle, die Papst Anastasius IV. unmittelbar vor seinem Tod im Jahre 1154 ausgestellt hat und durch die Nidaros zum Bistum über Oslo, Hamar, Bergen, Stavanger, die Orkneyinseln, die Hebriden, die Færøer und Grønland erhoben wurde.
Es finden sich dort zahlreiche Hinweise auf das Diplomatarium Norvegicum , ein zweiundzwanzigbändiges Werk mit über zwanzigtausend Briefen aus Norwegen aus der Zeit des Mittelalters bis zurück ins 11. Jahrhundert.
In dem unendlichen Wirrwarr der Informationen stoße ich auf einen Brief aus dem November 1354, in dem König Magnus Pål Knutsson zum Kommandanten einer offiziellen Expedition ernennt, um in Grönland das Christentum zu stärken. Etwas später lese ich in einem Dokument aus dem Jahre 1450 über den »Angriff auf die Barbaren auf Grönland« und dass »einige der Wilden entkommen konnten«.
In einem Stapel von Schriften über St. Magnus entdecke ich eine Bulle von Papst Celestin III., der Ragnvald Orknøyjarl im Jahre 1197 heiliggesprochen hat.
Überraschender ist der Verweis auf ein Pergament aus dem Jahre 1131, mit dem Ritter Clemens de’Fieschi in einem Brief an den Kardinalbischof Benedictus Secundus – mit Bezug auf frühere Berichte – die Behauptung aufstellt, ebenjener Ragnvald sei ihm zuvorgekommen und habe die Höhle bereits aller Schätze beraubt.
Höhle? Schätze?
De’Fieschi schlägt in dem Brief vor, dass sich der Vatikan mit einem abtrünnigen Zweig von Ragnvalds Familie, der sich ihm widersetzt, verbünden solle.
Die Informationen wecken in vielerlei Hinsicht mein Interesse.
Ragnar Orknøyjarl ist der Kreuzritter, der – laut Adelheid – nach einem Schatz in der Dollsteingrotte gesucht hat.
Sollte er den Schatz tatsächlich gefunden haben?
Welche Rolle spielte er?
War er ein Wächter, der die Mumie, die Schriften und Wertsachen vor dem Vatikan gerettet hat – oder war er bloß ein Schatzsucher?
1137 – nur wenige Jahre nach seinem Besuch der Dollsteingrotte – hat Ragnvald den Bau der St.-Magnus-Kathedrale in Kirkwall auf den Orkneyinseln begonnen, um damit seinem Onkel Magnus ein Denkmal zu setzen, der den Märtyrertod gestorben ist. Als die Kathedrale Anfang des 20. Jahrhunderts restauriert wurde, fanden die Bauarbeiter die Skelette von Ragnvald und seinem Onkel eingemauert in einem der Chorpfeiler.
Ragnvald Orknøyjarl wurde – laut Chronik – im Streit um die Macht von seinen eigenen Verwandten im Jahre 1158 in Caithness in Schottland ermordet. De’Fieschis Brief legt allerdings die Vermutung nahe, es habe eine vatikanische Verschwörung gegeben, in deren Folge er von einem Überläufer liquidiert wurde.
Die Ermordung von Ragnvald im Jahre 1158 lässt mich wieder an das Schicksal meines Freundes
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