Der Pakt der Wächter: Roman
den tiefen, dunklen Wäldern widerfuhr, die zu den Gebirgen führten, die wir überqueren mussten, um unser endgültiges Ziel zu erreichen. Erlaubt mir aber die Andeutung, dass wir auf mehr als einen feindlichen Stamm von Wilden, Trollen und Unholden gestoßen sind und dass wir im Kampf mit diesen Kreaturen weitere fünf tapfere Soldaten verloren.
Wir kamen an einem späten Nachmittag auf der Insel Doll an und errichteten unser Lager auf einer Ebene, wo wir ein Feuer anzündeten und uns ein paar Vögel brieten. Wir hatten einen ortskundigen Führer bei uns, der uns gegen Bezahlung und den päpstlichen Segen zu helfen versprochen hatte. Vom Lagerplatz aus war der Dollstein an der äußeren westlichen Landzunge der Insel über dem Fjord zu erkennen.
Bei Sonnenaufgang des nächsten Tages ritten wir am Wasser entlang auf den Berg zu. Dann machten wir die Pferde fest und ließen zwei Männer als Wachen zurück.
Der Fels war steil, unwegsam und glatt. Die Grotte lag mehrere hundert Schritte über uns in den Felsen über dem offenen Meer. Sie sah aus wie ein Höllenschlund. Ein enger, steil abfallender, glitschiger Tunnel führte in die Finsternis.
Wir mussten Fackeln anzünden und vorsichtig über die glatten Steine nach unten klettern. Die Luft war eiskalt. Zu guter Letzt kamen wir in einen großen Höhlensaal. Von dort aus kletterten wir weiter durch enge Passagen und über einige hohe Felswände. Ganze fünf Grotten waren so miteinander verbunden. Alles in allem war die Höhle mehrere hundert Schritte tief, und der ortskundige Führer beteuerte, dass sich das Höhlensystem unter dem Meer bis nach Schottland fortsetze. Viele Sagen berichten von einem wertvollen Schatz, der sich in der Höhle befinden soll. An der Küste erzählt man sich, Ragnvald, der Herrscher der Orkneyinseln, sei vor zwei Jahren auf der Suche nach dem Schatz auf der Insel gewesen.
Wir drangen so weit wie eben möglich in die Höhle vor. Eure Hochwohlgeborenheit, Generalmeister Scannabecchi – es schmerzt mich, Eurer Exzellenz mitteilen zu müssen, dass sich die Grotte trotz unserer gründlichen Durchsuchung als leer erwies.
In höchster Ehrerbietung,
Clemens de’Fieschi
Waffenträger des Herrn
5
Fünfundzwanzig Jahre nach der ersten missglückten Expedition setzte Papst Hadrian IV. – der frühere Nicholas Breakspear, der 1153-54 selbst Norwegen und Hamar besucht hatte – eine Kommission ein, um das Mysterium zu untersuchen. Das Dokument gibt recht deutlich Auskunft darüber, dass Breakspears Auftrag in Norwegen mit der Schatzsuche zu tun hatte. Papst Alexander III. schickte um das Jahr 1180 eine weitere Gruppe Soldaten nach Norden. In dieser Zeit wurde die Stabkirche in Flesland gebaut. Fünfzig Jahre später, im Jahre 1230, brach die nächste Gruppe auf, dieses Mal auf Geheiß von Papst Gregor IX.
1230... ich rufe mir den Text in der Stabkirche von Garmo ins Gedächtnis: Soldaten des Papstes, Varnas Johanniter und Jerusalems Tempelritter sind versammelt zur Schlacht.
Verborgen ist die heilige Grabkammer, wie Asim befahl.
In einer Sichthülle, auf der die römische Zahl LXVII vermerkt ist, liegt der Brief, von dem mir Stuart im Schimmer-Institut eine Kopie gezeigt hat – das Schreiben des Hohepriesters Asim aus Rouen an den Kalifen von Ägypten, das aber im Vatikan hängen geblieben ist.
Mit vor Aufregung zitternden Fingern blättern wir uns weiter durch den Stapel Papiere und Pergamente, die die pflichtbewussten Mönche und Archivare seit Generationen in einem Netz aus vagen Andeutungen und versteckten Hinweisen miteinander verwoben haben.
6
Gegen Ende des zweiten Tages – die goldenen Strahlen der Nachmittagssonne fallen schräg durch die hohen Fenster in den dicken Wänden – stoße ich auf einen ledernen Einband. Obgleich ich nicht ein Wort verstehe, als ich das Dossier öffne, erkenne ich intuitiv, dass ich die zwei kurzen Fragmente aus Asims Geschichte gefunden habe, von denen in dem Brief die Rede war, den wir in Ägypten gefunden haben.
»Koptisch«, sagt Stuart. Eine lateinische Übersetzung liegt bei. Die beiden Dokumente vor sich ausgebreitet, liest mir Stuart laut vor:
»Heiliger Osiris, sie stinken! Wie unreine Tiere – ja, wie Schweine mit verfaulten Eingeweiden, wie Dachse mit Wundbrand – verpesten sie die Luft um sich herum mit ihren Ausdünstungen; ein harscher Gestank von saurem Schweiß, Aufgestoßenem, dem Gas der Gedärme, den ungewaschenen Füßen und Geschlechtsorganen; ihre Kleider
Weitere Kostenlose Bücher