Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)
dass seine Beine unter ihm nachgaben, aber er spürte den Schlag, der ihm die letzte Luft aus den Lungen trieb, als er auf dem Boden aufkam.
72
Connor hatte nichts von jenem hypnotisierenden Pulsieren erzählt, das von dem dunklen Stoff ausging, jenem dunklen Pulver, das in ihrer Hand lag. Wenn Miranda jetzt die Augen schloss, war es, als hielte sie ein winziges Herz in ihrer Hand. Etwas lebendiges. Das Flattern eines Vogels, der in ihrer Hand gefangen war.
Es war nicht nur eine Erinnerung, die ihr Connor gegeben hatte. Welcher indianische Zauber sich auch immer dahinter verbarg, er war mächtig, das spürte sie.
Eine Träne löste sich von ihrer Wange und fiel zu Boden.
Jack starb. Warum also zögerte sie? War es Angst?
Das Pulsieren wurde schneller, als sie sich dem Kaminfeuer näherte. Sie blickte auf ihre Hand hinab: das schwarze Pulver glänzte wie flüssiger Teer.
Dann schleuderte sie die ganze Handvoll ins Feuer.
Die Flammen loderten auf, leckten an der steinernen Einfassung. Rauch, so weiß und zäh wie Nebel waberte in den Saal hinein.
»Du hast das alles schon einmal gemacht«, sagte Miranda zu sich selbst. »Was kann schon passieren?«
Sie atmete ein. Der Rauch brannte auf ihrer Zunge und in ihren Augen.
Nichts geschah.
Wieso nicht? Die Flammen sanken schnell auf ihre frühere Größe zurück, aber der Rauch hing im Raum fest und nahm ihr den Atem. Da war nichts, keine Erinnerung, in die sie zurückversetzt wurde. Wieso wirkte es nicht?
»Du siehst in die falsche Richtung«, sagte eine Stimme.
Miranda fuhr herum. Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen, ihre Hände verkrampften sich an ihren Seiten. Nicht schreien, was auch immer geschieht, nicht schreien, dachte sie. Sie wusste, wenn sie schrie, würde es keine Minute dauern, bis jemand von draußen die Tür aufbrach und dann wäre alles verloren.
Hinter ihr, auf dem Boden vor der Tür, die Beine im Schneidersitz verschränkt, saß jene Frau, die mit Großer Büffel ans Lagerfeuer gekommen war. Seine Frau.
»Wer bist du?«, fragte Miranda.
»Mein Name, in deine Sprache übersetzt, lautet Gelbe Feder. Ich war die Frau, die Großer Büffel aus dem Hotel gerettet hat.«
»Warte ... er hat eine Frau gerettet?«
»Er hat mich gerettet. Aber das ist nicht wichtig. Du hast eine Frage, die dringlicher ist, als alles andere.«
»Ja. Wie können wir Jack retten?«
»Es gibt nur einen Weg: der Fluch muss gebrochen werden, bevor das Gift seinen Körper vollständig durchdrungen hat. Endet der Fluch, enden auch alle Auswirkung hervorgerufen durch diejenigen, die dem Fluch dienen. Den Rash akla. Das Gift, das ihn infiziert hat, verschwindet, wenn der Fluch rechtzeitig aufgelöst wird. Ist allerdings sein Herz befallen ... dann stirbt er. Und vom Tod kehrt er nicht wieder zurück. Niemand kehrt vom Tod zurück, nicht auf eine natürliche Weise.«
»Aber ... wir werden den Nachkommen nicht schnell genug töten können. Kann man die Ausbreitung verlangsamen?«
»Nun ...«, die Indianerin lächelte. »Ja. Es gibt einen Weg.«
»Und wie funktioniert es?«
»Es ist keine Heilpflanze, keine Arznei. Es ist die Liebe. Das ultimative Gegenstück zu allem, was die Rash akla verkörpern, dem Tod, der Widernatürlichkeit.«
»Liebe?«
»Liebe, ja. Aber in einem weit vorgeschrittenen Fall ... wenn nur noch wenige Minuten verbleiben ... körperliche Liebe ... ausgetauscht zwischen einem Mann und einer Frau ... würde die Ausbreitung des Gifts aufhalten.«
73
Er war nicht verrückt.
Aber er spürte, Teil Zwei seines Plans war gekommen.
Als Floyd sich umsah, standen alle, die ihm in den Keller gefolgt waren vor ihm wie Zinnsoldaten, mit den Schuhen auf dem Boden festgefroren. Es ist wahr, dachte er. Sie sind verrückt, aber nicht du. Nein. Er wusste, dass dies die Wahrheit war. Er war nicht empfänglich für das, was aus den Wänden kam und mit ihnen flüsterte, für das, was in ihre Gehirne eindrang. Sie waren nutzlos geworden. Aber er konnte tun, was getan werden musste, auch ohne sie.
»Geht«, flüsterte er. »Ich kann euch nicht mehr gebrauchen. Geht, und tut, was ihr glaubt, tun zu müssen. Ihr seit nur noch Ballast. Ich verabscheue, dass ihr euch mir angeschlossen habt.«
Langsam wandten sich die Männer und Frauen ab. Ihre Blicke waren leer, ihre Bewegungen träge. Sie gingen, das wusste Floyd, in den vorderen Teil des Kellers, dort wo das Fenster nicht von einem Gitter versperrt war. Sie würden hinaus klettern, sie würden in den Tod gehen,
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