Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)
Lieferwagen für die St. James Cooperation unten in der Stadt. Wir beliefern die ansässigen Unternehmen mit allem, was sie brauchen.«
Sie griff nach seiner Hand, warum auch immer, wie sie sich später fragen würde. Es schien ihr (später zumindest), als hätte alles mit diesem Händedruck begonnen, als wäre dieser eine Händedruck der Auslöser gewesen für die Dinge, die kommen sollten.
»Miranda Reiley«, sagte Miranda. Sie betrachtete das Jackett, das Carver trug. »Sie sehen gar nicht aus wie jemand, der sich seinen Lebensunterhalt mit Aushilfsjobs verdient.«
»Nein. Eigentlich ...« Sie sah, dass er zögerte. »Eigentlich bin ich Schriftsteller.«
»Oh.« Sie durchstöberte ihre Erinnerung, doch sie glaubte nicht, auf einem Buchrücken schon einmal das Wort Carver gelesen zu haben. Es sei denn, er benutzte ein Pseudonym.
»Die Sache läuft derzeit nicht allzu gut. Ich konnte vor einigen Jahren ein paar Geschichten an Zeitschriften verkaufen. Heftromane und dergleichen. Derzeit ... es reicht nicht, um mir die Miete zu zahlen.«
Miranda fragte sich, wieso er ihr dies so offen erzählte. Aber es störte sie nicht. Eigenartigerweise störte sie es überhaupt nicht, sich mit ihm zu unterhalten. »Ich kann mir jedenfalls vorstellen, dass es unglaublich fordernd ist.«
»Damit könnten Sie durchaus recht haben, Ms. Reiley.« Jack betrachtete Connor von der Seite. Miranda glaubte zu wissen, was jetzt kam. Sie schon ihren Stuhl unauffällig vom Tisch zurück, nur ein Stück.
»Entschuldigen Sie, dass ich frage, Sir, aber was macht ein Indianer hier in Whatcom County? Dazu noch einer, der spricht, als käme er von der Insel, wo die Leute noch eine Königin anbeten?«
Connor drehte sich zu Jack um. »Was meinen Sie damit? Darf ich etwa nicht hier sein?«
»Nein. Ganz und gar nicht.«
Die Männer starrten einander an. Miranda hatte die Finger unter dem Tisch gekreuzt. Die Stimmung war gekippt, schlagartig, ihr war kalt und die zwei Gläser Rotwein hatten sie müde werden lassen.
»Würden Sie das wiederholen, Jack?«, fragte Connor.
»Ich will Sie nur warnen. Der Inhaber dieses Hotels ... lassen Sie es mich so sagen, es ist erstaunlich, dass man Ihnen ein Zimmer gegeben hat.« Jack lachte. »Haben Sie etwa geglaubt, ich würde jetzt rassistisch werden? Nein, mir ist es egal, ob Sie Indianer sind oder Brite. Jim Jones sieht das ein bisschen anders. Ich kann ein Lied davon singen, schließlich habe ich hier gearbeitet, wie Sie wissen.«
Jetzt stimmte auch Connor in das Lachen ein und die Kälte löste sich auf. Männer, dachte Miranda. Was zum Teufel sollte das?
»Keine Sorge, Ms. Reiley«, sagte Jack jetzt und zwinkerte ihr zu. »Wir werden uns doch nicht vor Ihnen prügeln.«
»Sehr witzig«, sagte sie, zum zweiten Mal an diesem Abend.
»Also, Connor, was machen Sie wirklich hier?«
Der Indianer blickte zum Fenster hinüber. »Wenn Sie es wirklich hören wollen. Halten Sie mich dann für verrückt? Vielleicht werden Sie das. Da draußen ... das ist die Heimat meines Stammes. Aber es ist nicht mein Stamm. Ich bin nur ein halber Indianer. Nein, was mich hierher getrieben hat ... ich will endlich herausfinden, wo ich herkomme. Ich will wissen, wer meine Mutter gewesen ist. Wie sie gelebt hat. Wie die Nooksack heute leben ... wie sie dahinvegetieren, in irgendeinem Reservat. Das ist der einzige Grund, warum ich nach fünfunddreißig Jahren wieder amerikanischen Boden betreten habe.«
Miranda blickte ihn an und Jack tat dasselbe. Eine wahrhaft eindringliche Geschichte.
»Das ist also mein Grund, warum ich hierhergekommen bin«, schloss Connor. »Was ist Ihrer, Ms. Reiley?«
Miranda zuckte zusammen, als der Fokus in Sekundenschnelle auf sie übersprang. Nein. Nicht jetzt. Sie war nicht bereit, darüber zu sprechen. Noch nicht. Also blieb ihr nur die Flucht.
»Nicht mehr heute«, sagte sie. »Ich bin müde. Ich wünsche ihnen beiden jedenfalls alles Glück für die Zukunft. Danke für die Zigarette, Mr. Carver, und für diesen interessanten Einblick in ihr Leben, Mr. Arrington. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Mrs. Reiley.«
»
Ms.
Reiley«, korrigierte sie Jack. »Miss.«
»Verstehe.«
Mrs. Reiley war sie seit einer Woche nicht mehr. Seit einer Woche war die Scheidung rechtsgültig.
Als Miranda in die Empfangshalle trat, blickte sie nach oben. Auf der Glaskuppel lag nun ein unberührtes weißes Tuch. Ein Schaudern überkam sie.
Über der Rezeption flackerte das Licht.
11
Der Schlüssel ging leicht
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