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Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)

Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)

Titel: Der Pakt des Seelensammlers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krüger
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diese Frau hierher geschickt, diese Frau, diese Frau, die so sehr an Bethany, meine einzige Frau, erinnert?
    Reverend Hopper schloss die Augen. Er wartete, murmelte Psalm achtzehn, dann Psalm neunzehn und zwanzig. Er kannte sie auswendig. Alle.
    Na gut, die meisten.
    Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber denken an den Namen des Herrn, unsers Gottes. Sie sind niedergestürzt und gefallen; wir aber stehen aufgerichtet. Hilf, Herr! Der König erhöre uns, wenn wir rufen!
    Hilf, Herr!
    Eine neue Welle von Magenkrämpfen erschütterte den Körper des Reverends. Er hatte nichts zu Abend gegessen. Buße, er musste Buße tun, und sich selbst die Nahrung zu verwehren, zählte gewiss dazu. Bis morgen früh würde er durchhalten.
    Hilf mir!
    Er sah die Frau wieder, die ganz allein aus dem Taxi stieg, ihren Koffer hinter sich herziehend, den Kopf gesenkt, als würde sie etwas beschäftigen, etwas sie belasten. Was war es, das sie -
    Nicht! Nicht schon wieder!
    Der Reverend presste seine Stirn gegen das kühle Laken und murmelte einen neuen Psalm.
    Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen,
    bist fern meinen Schreien, den Worten meiner Klage?
    Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort;
    ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe.
    Oh gib mir doch nur einen kleinen Hinweis! Nur einen Hinweis für den geringsten deiner Diener!
    Reverend Hopper murmelte weiter.
    Er betete. Er betete zwei Stunden, während draußen die Nacht über das Larches herabsank. Er betete noch immer, als der Schneesturm stärker und stärker wurde.
    Und dann war es - endlich - soweit.
    Er spürte, wie sich sein Geist öffnete, wie er hinausschaute, wie er sah, was klar und unveränderbar vor ihm lag.
    Endlich erhielt er eine Botschaft, endlich sah er ...
    Aber was sah er?
    Schrecken. Verzweiflung, Kälte und ... den Tod.
    Die Frau kauerte in einer Ecke, die schlanken Beine an den Körper gezogen und die Arme um den Bauch geschlungen. Ihr Kopf wiegte leicht vor und zurück, während sich ihr Mund unablässig bewegte. Sie flüsterte. Ihre Wangen waren feucht vor Tränen. Er kannte ihren Namen nicht.
    Der Reverend sah sich selbst. Er stand am Fenster, vor das ein Vorhang gezogen war. Nur ein Spalt war offen, durch den er hinausblickte. In den Händen - er erschrak und staunte zugleich - hielt er ein Gewehr mit langem Doppellauf. Er sich selbst, wie er dastand, als würde er Wache halten. Er trat um seinen eigenen Körper herum - eine äußerst außergewöhnliche Erfahrung im Übrigen, wie er wusste, lobet den Herrn! - und blickte in sein eigenes Gesicht.
    Dort war nichts als Angst.
    Angst vor dem Schnee. Angst vor dem, was dort draußen lauerte.
    Angst vor denen, die im Hotel waren.
    Plötzlich wusste er, dass er jemanden warnen musste.

13
    Henry Clash hatte verdammt noch einmal Lust, eine zu rauchen. In den letzten drei Minuten schweifte sein Blick zwischen drei Dingen hin und her: der Schachtel Zigaretten, die er neben die Spüle bereitgelegt hatte, der Pfanne, in der er sich ein Steak anbriet, und der Uhr, die gut sichtbar über den Herdplatten hing.
    22.03 Uhr. Es war an der Zeit für den Koch, selbst etwas zu essen.
    Das Personal war gegangen, die Teller gespült und sorgfältig in die Regale geräumt, das Chrom der Spüle blitzte und die Kühlaggregate der Weinschränke summten vor sich hin. Henry brauchte diesen einen Sargnagel, brauchte ihn dringend.
    Manche trinken zum Einschlafen, weil sie die Schatten nicht verdrängen können. Weil ihr Hirn da einfach nicht mehr mitmacht. Henry hatte genug von diesen Menschen gesehen. Manche stecken sich eine Zigarette an.
    22 und fünf Minuten. Das reichte. Ein gutes Stück Fleisch, medium gebraten. Das Steak kam auf den Teller, Salz und Pfeffer darüber und einige Zwiebeln daneben. Gut war es, sogar ziemlich gut. Das zarte Fleisch verschwand zwischen Henrys Zähnen, dann spülte er mit einem Bier nach. Da er zu den Menschen zählte, die von Bier leicht betrunken wurden, beließ er es dabei, griff nach der Schachtel und ging hinaus.
    Es war Henry Clashs letzte Mahlzeit.
Von der Küche führte ein Gang an den Lagerkammern vorbei zum Hinterausgang, wo drei gewaltige Müllcontainer standen. Eine Lampe flammte auf und verwandelte den Schnee in kleine, fallende Diamanten. Henry schloss die Tür hinter sich, zupfte eine Zigarette aus der Schachtel, schirmte das Feuerzeug mit der hohlen Hand gegen den Wind und steckte sie an. Das Dach, unter dem er stand, bot einen drei Meter breiten

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