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Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)

Der Pakt des Seelensammlers (German Edition)

Titel: Der Pakt des Seelensammlers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krüger
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dagegen angestürmt war, welcher der Riegel nicht hatte standhalten können. Ein offenes, ebenerdiges Fenster. Ein Fenster auf der selben Höhe wie der Wald, wie der Parkplatz draußen. Jacks angeschlagenes Hirn kostete es einige Sekunden, bis er begriff, was dies bedeutete. Die Weißen konnten bis in den zweiten Stock vor das Fenster der Hausmeisterwohnung gelangen - um wie viel einfacher war die Sache für sie also hier?
    Jack rannte, er versuchte es zumindest. Der Kampf, den sein Verstand gegen seinen angegriffenen Körper führte, war grausam und schmerzhaft. Der direkte Kontakt mit dem Gas hatte die Schmerzen in seinen Beinen weiter verschlimmert, und sein Verstand, minutenlang von frischem Sauerstoff abgeschnitten, war noch immer nicht wieder völlig zurückgekehrt. Er bewegte sich instinktiv, überließ es seinen Reflexen, den herumstehenden Küchengeräten auszuweichen. Jack ahnte, dass er nicht mehr die Kraft gehabt hätte, um aufzustehen, wenn er erst einmal wieder gestürzt wäre.
    Im Lichtkegel der Taschenlampe sah er den Schnee, der zum Fenster hereinwehte.
    »Nein!« stieß er hervor. »So einfach kriegt ihr uns nicht!« Es hatte seinen Vorteil, dass er früher als Koch genau hier gearbeitet hatte. Wenn Clash etwas umgeräumt hatte, war er verloren. Jack stürzte auf eine Schublade zu und riss sie auf.
    Er hatte Glück. Das Gerät, mit dem sie Süßspeisen flambierten, lag noch immer dort. Ein Flambierbrenner. Er hielt es wie eine Waffe in der Hand, eilte zum Fenster und griff nach dem Rahmen.
    Von draußen legten sich drei sichelförmige Klauen herein. Sie kratzten über das Glas, vorsichtig tastend. Jack entzündete den Flambierbrenner. Es war wie ein kleiner Flammenwerfer in der Dunkelheit und Jack hielt direkt auf die Klauen und das, woran sie festgewachsen waren. Mit einem Geräusch, das an quietschende Kreide auf einer Tafel erinnerte, zuckte die Hand zurück. Ein Schrei hallte von draußen herein. Jack schlug das Fenster zu, dessen Glas vor seinen Augen zu Eis erstarrte.
    Dann wandte er sich um. Die wenigen Schneeflocken, die hereingefallen waren, schienen sich völlig untypisch zu verhalten. Sie tauten nicht. Sie wollen sich mit dem Boden verbinden, dachte Jack, sie wollen festfrieren. Er wusste nicht, ob ihm sein übermüdetes Gehirn einen Strich spielte, aber es war ihm, als bewegten sich die Schneeflocken über den Boden. Sie wanderten. Er ging ihnen mit seinem Flammenwerfer nach, bis nichts mehr von ihnen übrig war, von schwarz verbrannten Flecken auf dem Boden abgesehen. Dann ließ er das Gerät sinken und lehnte sich schwer atmend gegen die Chromummantelung der Spülbecken.
    Jack spürte, dass ihm Tränen über die Wangen liefen, auch wenn er nicht wusste, warum. Er zitterte am ganzen Körper, seine Hände trommelten gegen die Spüle, völlig außer Kontrolle waren sie. Er musste sich zwingen, gleichmäßig zu atmen.
    Er war den Weißen noch nie so nahe gekommen.
    Schlimmer, sie waren noch nie so kurz davor gewesen, in das Hotel einzudringen. Jack richtete die Taschenlampe auf das Fenster. Es war knapp gewesen, sehr knapp, aber sie waren weiterhin draußen, nicht hier, noch nicht.
    Noch blieb Zeit.
    Noch blieb Hoffnung.
    Jack schleppte sich aus der Küche, wie ein Kriegsmüder nach einer langen Schlacht.

50
    Der Mann lauschte der Stimme und er wusste, es war gut, was sie ihm sagte. Er wusste, dass sie die Wahrheit sprach. Vielmehr noch, die Stimme erzählte von allem, was er vergessen hatte, in all der langen Zeit.
    Sie sprach von der Lösung. Der Lösung für das Problem, das draußen im Wald auf sie lauerte.
    Der Mann lauschte, als die Stimme ihm erzählte, was er vergessen hatte. Viele Jahre war es her, dass er sie zuletzt vernommen hatte und doch erkannte er sie allmählich wieder.
    Es war die Stimme eines Mannes, die er in seinem Kopf hörte.
    Die Stimme erzählte ihm, was er tun musste, wenn er überleben wollte, sie erzählte ihm, wie er sich verhalten sollte.
    All dies hörte er, und da er sich nun ganz allmählich wieder erinnerte, wieso er hier in diesem Hotel war, befolgte er den Ratschlägen so gut er es konnte.
    So wie er den Ratschlag befolgt hatte, unten in der Küche im Nebenraum den Schlauch von der Gasflasche zu lösen und das Ventil weit aufzudrehen.
    Es macht nichts, sprach die Stimme zu ihm. Es war ein voller Bass, abgerundet und erhaben. Aber der Mann konnte sich nicht des Gefühls erwehren, dass diese Tonlage nur gespielt war, eine raffinierte Täuschung. Darunter

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