Der Pakt - Rügen Thriller
schaute nicht zu ihnen. Er war mit dem Grill beschäftigt. »Vergiss nicht, dass er unser Klient ist. Und zwar ein sehr guter!«
»Er schlägt sie, und wir schauen zu? Oder hilfst du ihm etwa dabei?« Sie deutete mit dem Finger in Liebers Richtung. »Weil er doch ein so guter Klient ist? Asbeck Security – alles für Ihren Schutz. Und wenn Sie mal Ihre werte Gattin vermöbeln wollen, stehen wir Ihnen ebenfalls gern zur Seite!«
»Juli, Tanka Lieber ist eine erwachsene Frau. Wenn sie Probleme mit ihrem Mann hat, ist das allein ihre Angelegenheit, findest du nicht? Sie kann ausziehen, sich scheiden lassen, zur Polizei gehen, ins Frauenhaus, was auch immer. Bisher hat sie nichts davon getan. Mit welchem Recht sollten wir uns hier einmischen?«
In diesem Moment kam ein vielleicht siebenjähriger Junge mit aschblonden Haaren aus dem Haus. In der Hand hielt er einen Fußball.
»Das ist Anton«, sagte Georg. »Liebers Sohn.«
»Hat er vielleicht auch ein paar Hämatome, die wir bewundern können?«, fragte Juli sarkastisch.
Georg antwortete nicht.
Sie atmete gereizt aus. »Sag jetzt bitte nicht, dass das ein Ja sein soll!«
»Hör auf, hier den Moralapostel zu spielen!«, fauchte er. »Die drei sind eine Familie, und wie jede Familie haben sie nun mal ihre Probleme.«
»Ich soll also zusehen, wie eine Frau und ein Kind, die mir anvertraut wurden, misshandelt werden?«
»Zusehen? Nein, zum Teufel, du sollst wegsehen! So wie wir alle gelegentlich wegschauen. Er ist der Klient, Juli. Was zwischen ihm und seiner Frau passiert, geht uns nichts an.«
»Und wenn sie sich mal zur Wehr setzt? Mit einem Küchenmesser zum Beispiel. Würdest du zusehen, wie dein Klient abgestochen wird? Das wäre ja wohl keine gute Werbung.«
Georg funkelte sie an. »Eines sollte dir klar sein, Juli. Nicht alle unserer Klienten sind nett und liebenswürdig. Dann bräuchten sie uns nämlich nicht. Wenn du das nicht erträgst, solltest du lieber kündigen.«
Juli ging den Liebers aus dem Weg, was nicht sonderlich schwer war. Von einem Bodyguard wurde erwartet, dass er sich im Hintergrund hielt. Allerdings nahm sie sich die Freiheit, den kleinen Anton, der mit seinem Fußball auf dem Rasen herumtollte, zu begrüßen und ihn sorgfältig zu mustern, während er mit aufgerissenem Mund ihren kahlen Kopf anstarrte. Bei ihm entdeckte sie keine Blutergüsse. Aber das wollte nichts heißen. Schließlich war es nur eine Momentaufnahme. Georgs vielsagendes Schweigen hatte ihr genug verraten.
Als es im Freien zu kühl wurde, zogen sich die Liebers ins Obergeschoss der Villa zurück. Juli machte es sich mit einer Thermoskanne voll Kaffee und zwei Schinkenbrötchen im Überwachungsraum bequem, der gleich neben dem Haupteingang lag. Sorgfältig achtete sie darauf, dass sie stets alle Kameramonitore im Blick hatte. Die Zeit verging langsam und ereignislos. Alle fünfzehn Minuten stand Juli auf. In der Ausbildung hatte sie ein paar Tricks gelernt, mit denen sie ein Verkrampfen ihrer Muskeln verhindern konnte.
Kurz nach Mitternacht machte sie einen Rundgang im Erdgeschoss. Von der Küche führte ein separater Ausgang zu einem kleinen Kräutergarten. Einen Moment stand Juli am Fenster und blickte auf den See, in dem sich der Mond spiegelte. Der Rasen vor dem Haus glänzte leicht. Im Schilf am Ufer zirpten Grillen. Die Umgebung hätte nicht friedlicher sein können.
Doch als sie die Küchentür wieder hinter sich schloss, hörte sie aus der oberen Etage einen gequälten Schrei.
25
Nach dem Essen – Simons Brote hatten phantastisch geschmeckt – zog Juli sich aus und schlüpfte in den noch unbenutzten zweiten Hotelbademantel. Im Schrank fand sie weiße Frotteepantoffeln, die noch in einer knisternden Zellophanhülle steckten. Ihrem Rucksack entnahm sie eine Perücke aus kurzem blonden Kunsthaar, die sie mit einer geübten Bewegung über ihren Kopf zog.
Eine Sauna war nicht gerade der beste Ort, um falsche Haare zu tragen, aber nach allem, was sie bisher wusste, war das Windwood Spa der beste Ort, um ihren dritten Auftrag zu erledigen. Heute wollte sie das Terrain sondieren, und das würde sie garan tiert nicht mit kahlem Kopf tun. Dann konnte sie der Polizei auch gleich ihre Beschreibung schicken. Allerdings nahm sie sich vor, nicht länger als eine Stunde zu bleiben und beim Duschen sehr vorsichtig zu sein.
Juli griff nach der Schlüsselkarte und überzeugte sich mit einem schnellen Blick, dass der Gang leer war. Dann zog sie die Tür hinter
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