Der Pakt - Rügen Thriller
absolvierte sie mit herausragenden Ergebnissen. Danach meldete sie sich freiwillig für sogenannte Babysitterjobs. Sie bewachte Kinder von Wirtschaftsbossen, Spitzensportlern und Popstars. Das Geschäft boomte, denn Prominentensprösslinge waren ein beliebtes Ziel von Kidnappern. Juli begleitete ihre Schützlinge zur Schule und zum Tennistraining, ging mit ihnen zum Shoppen oder in die Schwimmhalle. Es war die glücklichste Zeit ihres Lebens.
Bis ein Sonderauftrag alles veränderte.
Es war ein schwüler Tag im August, ein Sonnabend, der für Juli mit einem ausgedehnten Brunch im City Hilton in München be gonnen hatte. Auf dem Rückweg nach Oberschleißheim klingelte ihr Telefon.
»Juli? Hier Asbeck. Ich habe ein Problem. Stefan wurde gerade ins Krankenhaus gebracht. Blinddarm. Können Sie seine Nachtschicht bei Bernhard Lieber übernehmen?«
»Lieber? Dieser Fondsmanager?«
»Ja. BL Capital Management. Verwaltet knapp eine halbe Milliarde Kundengelder. Wir sind schon seit acht Jahren für ihn tätig. Bislang ohne Probleme.«
»Klingt wie ein Routinejob.«
»Es ist einer.«
»Wo wohnt er?«, fragte Juli.
»Direkt am Starnberger See. Sie lösen Georg um neunzehn Uhr ab. Er wird Sie einweisen. Viel Glück!«
Als Juli auf dem Anwesen des Finanzexperten ankam, war sie angenehm überrascht. Bernhard Lieber, der auf der Terrasse die Frankfurter Allgemeine las, wirkte ein wenig steif, das aber auf sympathische Weise. Obwohl es noch immer ziemlich warm war, trug er eine elegante dunkle Hose und ein dazu passendes Jackett über einem weißen Hemd mit Manschettenknöpfen. Keine Kra watte. Er war Mitte vierzig und schien in guter körperlicher Verfassung zu sein, obgleich Juli den Ansatz eines Bierbauchs bemerkte.
»Ich bin Bernhard Lieber. Guten Tag!«
»Juli Bohl.«
Er stand auf, um ihr die Hand zu geben. Sein Blick streifte kurz über Julis kahlen Kopf, aber seine Miene veränderte sich nicht im Geringsten. Er wies auf Georg, Julis Kollegen, der sie am Eingangstor abgeholt hatte. »Ich habe schon gehört, dass Sie heute kurzfristig einspringen müssen, Frau Bohl. Und das auch noch am Wochenende!«
Gemeinsam mit Lieber und Georg absolvierte Juli einen Rundgang auf dem weitläufigen Seegrundstück. Was sie sah, gefiel ihr. Es gab keine Büsche, die einem Eindringling Deckung boten. Der Rasen zum Wasser hin war tadellos gepflegt und gut zu überblicken. Um das Anwesen herum verlief ein hoher Metallzaun. Auch mit dem zweistöckigen Gebäude hatte Juli kein Problem. Die unteren Fenster waren vergittert, die Eingänge bestens gesichert. Von der Garage gab es eine Verbindungstür ins Haus, die ebenfalls verschlossen war. Die Alarmanlage gehörte zum Besten, was der Markt anzubieten hatte. Das Tor und ein paar weitere neuralgische Punkte wurden mit Kameras überwacht.
Als sie zum Haus zurückkehrten, stand eine Frau Ende zwanzig auf der Terrasse und packte den Inhalt eines Bastkorbes auf dem großen Holztisch aus: Eingelegte Steaks, Bratwürste, Oliven-Ciabatta, einen kalifornischen Rotwein, alles, was man für einen Grillabend benötigte.
»Das ist meine Gattin«, sagte Lieber förmlich und stellte Juli vor.
Tanka Lieber hatte ein rundes Gesicht und blondes, im Nacken locker zusammengerafftes Haar. Obwohl sie offenkundig viel Zeit auf ihr Make-up verwendet hatte, fiel Juli ein Hämatom auf ihrer linken Wange ins Auge. Auch die großzügig aufgetragene Tönungscreme konnte es vor einem geübten Beobachter nicht vollständig verbergen. Als sie sich die Hände reichten, stellte Juli fest, dass sich an Tankas rechtem Handgelenk ebenfalls Blutergüsse befanden. Es sah aus, als wäre sie von jemandem ziemlich hart angepackt worden.
Julis Augen wurden schmal. Sie schenkte Tanka den Anflug eines Lächelns und sagte etwas gepresst zu Lieber: »Ich muss mit meinem Kollegen noch ein paar Details abstimmen.«
Dann zog sie Georg mit sich in Richtung des Sees, bis sie außer Hörweite waren. »Woher hat die Frau diese ganzen Blutergüsse? «, fragte sie scharf.
»Was denn für Blutergüsse?« erwiderte er scheinbar irritiert.
»Halt mich nicht für bescheuert, Georg! Also?«
Er seufzte und zuckte die Schultern. »Unser Klient kann mitunter ein wenig … impulsiv sein.«
»Impulsiv?« Juli sah ihn fassungslos an. »Sag mal, spinnst du? Willst du etwa sagen, dass wir hier einen Typen beschützen, der seine Frau verprügelt?«
»Nicht so laut!«, zischte Georg und sah ängstlich zu den Liebers. Doch der Fondsmanager
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