Der Pakt
–, sondern Zakone, gewöhnliche Kriminelle, die 379
in anderen Arbeitslagern inhaftiert waren und deren Verrohung und Bestialität keine Grenzen kennt. Ich glaubte, in der Schlacht um Stalingrad alles gesehen zu haben, was Menschen einander anzutun im Stande sind. Aber das war vor Lager 108.
Ab Ende Mai wurden wir, die wir in Beketowka noch am Leben waren, zu Bauarbeiten eingesetzt – dem Wiederaufbau zunächst des Lagers und dann des hiesigen Bahnhofs. Der Winter war schlimm gewesen, und viele von uns Überlebenden glaubten, der Sommer könne unser Los nur bessern, wenigstens würden wir es warm haben. Doch mit dem Sommer kam eine Hitze, die nicht minder unerträglich war als die Kälte. Das Allerschlimmste waren die Mücken. Während ich vorher mit ansehen musste, wie Männer gezwungen wurden, nackt im Schnee zu stehen, bis sie starben (das nennt sich
»Winterstrafe«), werden jetzt Männer nackt an einen Baum gefesselt und den Mücken preisgegeben, bis sie darum flehen, erschossen zu werden (was sich »Sommerstrafe« nennt).
Manchmal wurden sie auch erschossen, aber meistens blieb es den Mücken überlassen, ihr grausiges Werk zu tun, denn auf einen Deutschen verschwendet man keine Kugel, sagen die Zaks. Tatsächlich habe ich Kameraden alle möglichen grässlichen Tode sterben sehen.
Ein Obergefreiter aus meinem Zug wurde in eine Sinkgrube geworfen und ertrank in den Exkrementen. Sein Verbrechen? Er bat einen Zak um ein bisschen Wasser. Ein Freund von mir, Helmut von Dorff, Leutnant der 6. Panzerarmee, wurde exekutiert, weil er einem Kameraden zu Hilfe kam, der unter der Last einer Eisenbahnschwelle, die er auf seinen abgemagerten Schultern schleppen musste, hingefallen war. Die Zaks banden von Dorff an einen Telegraphenmasten und ließen ihn einen steilen Hang hinunterrollen, in die Wolga, wo er vermutlich ertrank.
Andere Strafen als der Tod sind selten, aber soweit es sie gibt, sind sie ungemein grausam und für Männer, die von Hunger, 380
Arbeitsstrapazen und Ruhr geschwächt sind, oft dennoch tödlich. Ein Mann, der so abgemagert war, dass er kaum noch Gesäßbacken hatte, wurde so lange geschlagen, bis die Knochen frei lagen. Er starb bald darauf an einer Infektion. Doch ansonsten sind Prügel so alltäglich, dass sie kaum als Bestrafung zählen, und die Zaks ersinnen gern neue Mittel, ihre Vorstellung von Disziplin durchzusetzen. Und so bestraften sie einen Luftwaffenfeldwebel von der 9. Flak-Division: Sie sperrten ihn in eine sargförmige Kiste, in der Tausende von Läusen wimmelten, und ließen ihn vierundzwanzig Stunden darin. Als sie den Deckel aufklappten, war sein Körper von den Läusebissen so angeschwollen, dass sie ihn nicht mehr aus der Kiste herausbekamen. Zur großen Belustigung der Zaks musste eine Seitenwand herausgebrochen werden. Und noch ein Fall, ein Stabsoffizier der 37. Infanteriedivision, seinen Namen weiß ich nicht mehr: Sie legten ihm ein Stück Seil quer durch den Mund, wie einen Zügel, führten die Enden über seine Schultern und schnürten ihm damit Hand- und Fußgelenke zusammen. So ließen sie ihn einen ganzen Tag lang auf dem Bauch liegen, ohne Wasser. Seither kann er nicht mehr laufen.
Moral ist an einem Ort wie diesem bedeutungslos. Es ist ein Wort, das in Beketowka nicht existiert, vielleicht in ganz Russland nicht. Trotzdem gibt es Momente, da ich mich des Gedankens nicht erwehren kann, dass wir dieses Unglück selbst über uns gebracht haben, indem wir in dieses Land eingefallen sind. Unsere Führer haben uns hierher geschickt und dann im Stich gelassen. Und doch bin ich immer noch stolz, Deutscher zu sein, und stolz darauf, wie wir uns hier geschlagen haben. Ich liebe mein Vaterland, aber ich habe Angst vor dem, was kommt, denn wenn die Rote Armee Deutschland je erobern sollte, wer weiß, welche Qualen dann unseren Freunden und Verwandten drohen? Nicht auszudenken.
Wir waren 50000 Mann, als wir von Stalingrad nach Beketowka marschierten. Davon sind inzwischen 45000 tot.
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Von Deutschen, die aus anderen Lagern hierher gebracht wurden, habe ich erfahren, dass es dort genauso ist. Die, die tot sind, waren die Besten unter uns, denn, so seltsam es klingen mag, die Stärksten sterben oft zuerst. Ich selbst werde keinen weiteren Winter überstehen, ich bin bereits krank. Es geht das Gerücht, ich solle in ein anderes Lager geschickt werden –
vielleicht Lager 93 in Tjumen in der Provinz Omsk oder Oranskij Nummer 74 in der Provinz Gorkij. Aber ich glaube
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