Der Pakt
ich die Vorhänge zuziehen wollte, habe ich einen Wagen an der Ecke parken sehen. Und daneben stand ein Mann.«
»Was für ein Wagen?«, fragte ich.
»Dunkelgrün. Alfa Romeo Sportlimousine.«
»Ah.«
»Ich hatte das komische Gefühl, dass der Fahrer vielleicht Wladislaw Pulnarowicz sein könnte. Er sah irgendwie aus wie der Oberst. Nur dass er keine Uniform anhatte. Und dass Wladislaw einen weißen BMW fährt.«
»Verstehe. Was hatte er denn an? Der Mann, den du gesehen hast.«
Elena zuckte die Achseln und spielte mit ihrer Zigarette.
»Das Licht war nicht besonders. Aber ich glaube, er trug einen hellbraunen Anzug und solche zweifarbigen Schuhe. Du weißt schon, weiß mit dunkler Kappe.«
»Hut?«
387
Sie zuckte wieder die Achseln. »Ja. Ein Panama. Er hielt ihn in den Händen.«
Ich dachte kurz über den Mann nach, der auf mich geschossen hatte. »Als du mir gestern von dem Oberst erzählt hast, hast du gesagt, er sei der altmodische Typ und würde mich vielleicht vor lauter Eifersucht zum Duell fordern.«
Elena nickte.
»Hältst du ihn für jemanden, der einen Mann kaltblütig erschießen würde?«
»Ach, Darling, so sind sie doch alle. Darum geht es doch schließlich bei der SOE.«
»Jemand hat letzte Nacht auf mich geschossen. In den Ezbekiya-Gärten. Er hat mich verfehlt, aber ein anderer Mann, ein Ägypter, wurde tödlich getroffen.«
»Oh, mein Gott, du glaubst doch nicht, dass das Wladi war?«
»Es sieht so aus. Die einzigen Leute, die mit schallgedämpften Pistolen in Kairo herumlaufen, sind bei der SOE oder bei der deutschen Abwehr.« Ich zuckte die Achseln. Es war längst nicht so ein Ball, wie ich ihn Harry Hopkins hingedonnert hatte, aber ich favorisierte immer noch einen deutschen Agentenring als Hintergrund der Morde an Ted und Debbie Schmidt. Ich würde mit Colonel Powell über Wladislaw Pulnarowicz sprechen müssen. »Es könnte doch sein, dass der Oberst nach der Party nach Hause gefahren ist, die Uniform ausgezogen und sich jemandes Auto ausgeborgt hat und dann wiedergekommen ist, um zu schauen, ob ich noch hier war. Und mir dann auf dem Weg ins Hotel gefolgt ist und versucht hat, meinem Gehirn ein bisschen Durchlüftung zu verschaffen.«
Diesmal zog Elena richtig an ihrer Zigarette. »Es tut mir ja so Leid«, sagte sie.
»Braucht es nicht. Du bist in diesem Stück die Desdemona.
Nicht Othello.«
388
»Trotzdem, ich habe dich schließlich in Gefahr gebracht, Willy. Ich war’s doch, die ihn eifersüchtig gemacht hat.« Sie schüttelte den Kopf. »Dieser verdammte Kerl. Dabei hatte er nicht mal Grund zur Eifersucht. Wir waren doch nur zwei alte Freunde, die sich viel zu erzählen hatten.«
»Das war vielleicht gestern Abend so«, sagte ich und küsste sie auf den Mund. »Aber jetzt nicht mehr.«
Sie lächelte und erwiderte meinen Kuss. »Nein, da hast du Recht. Jetzt hätte er allen Grund, eifersüchtig zu sein.«
»Er versteckt sich doch nicht oben, oder?«
»Nein. Willst du dich überzeugen?«
»Ich glaube, das sollte ich unbedingt tun. Du nicht?«
Elena stand auf, nahm mich an der Hand und führte mich zur Salontür in Richtung Treppe.
»Dir ist natürlich klar, was das heißt?«, fragte ich. »Das heißt, du wirst mir wohl deine Schlafzimmertapete zeigen müssen.«
»Hoffentlich gefällt sie dir.«
»Ganz bestimmt.«
Sie führte mich in eine Diele, so groß wie eine Bahnhofshalle, die riesige gelbmarmorne Treppe hinauf und in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter uns. Ich sah ihre Tapete nicht. Ich sah nicht den Teppich unter meinen Füßen und nicht einmal ihr Bett. Ich sah nur Elena und den weißen Seidenmorgenrock, der von ihren Schultern glitt, und das Spiegelbild meiner eigenen Hände, die ihren nackten Hintern umfassten, in einem hohen Drehspiegel.
Ich lag ganz still neben ihrem nackten Körper. Ich dachte an Heinrich Zahler und Helmut von Dorff, die jetzt in der kalten Erde von Beketowka lagen. Ich dachte an den wahnsinnigen polnischen Oberst, der mich hatte umbringen wollen, an den skrupellosen Naziagenten auf dem Schiff und an den gefangenen deutschen Major, der an der Entschlüsselung von 389
Funksprüchen arbeitete, die womöglich enthüllen würden, dass ich einmal ein russischer Spion gewesen war. Ich dachte an den armen Ted Schmidt oder an das, was noch von ihm übrig war, mitten im Atlantik. Ich dachte an Diana auf dem Fußboden ihres Hauses in Chevy Chase und an den nackten Hintern ihres namenlosen Liebhabers, umfangen von ihren
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