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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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militärisch sinnvoll, Ihre Kräfte in Italien zu verstärken. So können Sie dann Südfrankreich sichern und nach der Vereinigung dieser beiden alliierten Armeen den großen Vorstoß nach Deutschland beginnen.« Hitler sprach schnell und obenhin, als könnte er die Optionen der Alliierten jederzeit aus dem Ärmel schütteln. »Aber die Türkei, nein. Es wäre ein Fehler, Ihre Kräfte zu zersplittern, indem sie zwei oder drei Divisionen in die Türkei schicken. Außerdem ist die Türkei immer noch ein neutrales Land. Und wenn ich recht informiert bin, widersetzt sie sich nach wie vor Mr. Churchills Versuchen, sie hineinzuziehen in diesen Krieg. Wie wohl auch der Iran haben die Türken nach Versailles nicht mehr viel Vertrauen in das britische Fairplay.«
    Stalin hatte die letzten Minuten damit zugebracht, mit einem dicken Rotstift Wolfsköpfe auf einen Notizblock zu zeichnen.
    Jetzt hielt er inne und nahm die Pfeife aus dem Mund. »Die Rote Armee«, sagte er ruhig und sah dabei weder Hitler noch Roosevelt an, »hat in diesem Jahr eine Reihe von Erfolgen errungen. Aber das lag vor allem an der schlichten zahlenmäßigen Überlegenheit. Wir haben dreihundertdreißig russische Divisionen gegenüber zweihundertsechzig Divisionen der Achsenmächte. Wenn die deutschen Truppen an der Ostfront bis auf den letzten Mann ausgelöscht sind, werden noch immer 492

    siebzig russische Divisionen übrig sein. Aber das ist Mathematik aus dem Tollhaus. Ich hoffe, es wird nie dazu kommen.
    Außerdem haben die Deutschen ein paar überraschende Siege errungen. Sicher ist gar nichts, außer dass wir genau wie die Deutschen glauben, dass die Briten und Amerikaner am meisten ausrichten könnten, wenn sie in Frankreich angreifen. Aus unserer Sicht ist die Einschätzung des Führers, was die Aufgaben der Briten und Amerikaner angeht, völlig richtig.
    Aber der Führer ist ja gewiss nicht den ganzen weiten Weg bis Teheran gekommen – und ich muss die Gelegenheit nutzen, um dem außerordentlichen persönlichen Mut, den er damit bewiesen hat, Beifall zu zollen –, nur um zu erklären, dass er in den von ihm vereinnahmten Ländern zu bleiben gedenkt. Da ich davon ausgehe, dass ihm genauso viel daran liegt, diesen Krieg zu beenden, wie uns, frage ich: Wie lauten seine Vorschläge bezüglich der von Deutschland besetzten Gebiete? Insbesondere jener Teile Russlands und der Ukraine, die sich noch immer unter seiner Kontrolle befinden? Aber auch in Bezug auf Ungarn, Rumänien, den Balkan, Griechenland, Polen, die Tschechoslowakei, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Italien? Ich würde gern hören, was er als Grundlage für einen Frieden, den Deutschland als ehrenhaft empfinden könnte, vorzuschlagen hat.«
    Hitler nickte und holte tief Luft: »Mein Vorschlag ist folgender, Marschall Stalin. Der Rückzug der deutschen Truppen hinter die Grenzen von 1939, im Westen wie im Osten.
    Damit bliebe Russland die beherrschende Macht in Osteuropa.
    Durch eine solche Rückzugsvereinbarung – wohlgemerkt, ich benutze nicht das Wort ›Kapitulation‹ – wäre der Krieg in Europa spätestens Weihnachten vorbei, was es Amerika und seinen Verbündeten erlauben würde, sich ganz zu konzentrieren auf die Bezwingung Japans, die Amerika ja gewiss als seine strategische Priorität ansieht. Unter diesen Umständen, Herr Präsident, wäre Ihnen wohl der Wahlsieg im nächsten Jahr 493

    sicher. Denn dann hätten Sie nicht nur zweihundertfünfzigtausend Briten und Amerikaner bewahrt vor dem sicheren Tod an europäischen Landestränden, sondern auch die Juden Ungarns, Italiens, Norwegens, Dänemarks und Frankreichs vor der Liquidierung.«
    Roosevelt schien sprachlos.
    Hitler lächelte schmallippig. »Ich dachte, wir wollten offen reden«, sagte er. »Aber wenn Sie, Herr Präsident, über dieses Thema nicht sprechen möchten, dann brauchen Sie es natürlich nicht zu tun. Allerdings scheint mir doch, dass das Schicksal von drei Millionen europäischen Juden von großem Belang ist für einen recht stimmgewaltigen Teil Ihrer Wählerschaft.«
    »Haben Sie vor, die europäischen Juden als Geiseln zu benutzen?«, fragte Roosevelt schroff und auf Deutsch.
    »Herr Präsident«, sagte Hitler. »Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Den Deutschen droht immerhin die totale Vernichtung.
    Sie haben uns, zumindest öffentlich, nichts anderes gelassen als die bedingungslose Kapitulation. Ich mache Sie lediglich aufmerksam darauf, dass da noch ein Faktor ist, den Sie vielleicht nicht

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