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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Paar schmucke goldene Manschettenknöpfe, die im grellen Licht des Raums wie Alarmlämpchen blinkten.
    »Ich nehme an, Sie sind der Hauptarchitekt dieses Treffens«, sagte Roosevelt.
    »Ich habe lediglich versucht, allen Parteien den Sinn dessen, was heute Vormittag hier unternommen werden soll, vor Augen zu führen«, sagte der Reichsführer-SS geschwollen und behielt dabei Hitler im Auge. »Und ich bin der aufrichtigen 487

Überzeugung, dass dieser Krieg noch vor Weihnachten beendet werden kann.«
    »Hoffen wir’s«, sagte Roosevelt. »Hoffen wir’s.«
    Die Vertreter Russlands, der Vereinigten Staaten und des Deutschen Reiches sowie ihre Berater setzten sich um den großen, grünen Tisch herum. Stalin als dem Gastgeber fiel es zu, die Sitzung zu eröffnen. Da Bohlen übersetzte, konnte ich erst einmal tief durchatmen und darüber nachdenken, was hier eigentlich gerade geschah. Dass die Russen Hitlers Ankunft in Teheran geheim zu halten vermocht hatten, war fast so erstaunlich wie die Tatsache, dass Hitler überhaupt gekommen war. Und ich war bereits zu dem Schluss gelangt, dass selbst ein mögliches Scheitern dieser Gespräche Roosevelt kaum etwas anhaben konnte, da kein Mensch für möglich halten würde, dass sie jemals stattgefunden hatten.
    Von den beiden Diktatoren am Tisch schien Stalin der abschreckendere, nicht nur, weil ich kein Russisch konnte. Er hatte ein kaltes, undurchdringliches, fast schon leichenhaftes Gesicht, und wenn seine gelblichen Augen in meine Richtung huschten und er beim Lächeln seine kaputten, nikotinverfärbten Zähne entblößte, dann konnte man in ihm nur allzu leicht eine moderne Ausgabe Iwans des Schrecklichen erkennen, einen Tyrannen, der, ohne mit der Wimper zu zucken, Männer, Frauen und Kinder in den Tod schickte. Gleichzeitig schien er jedoch einen schärferen Verstand zu haben als Hitler. Er sprach frei und wohl formuliert.
    »Wir sitzen hier erstmals an diesem Tisch, nur das eine Ziel vor Augen«, sagte er, »die Beendigung dieses Krieges. Ich bin der aufrichtigen Überzeugung, dass wir bei dieser Konferenz alles tun werden, um im Rahmen unserer Zusammenarbeit gebührenden Gebrauch von der Macht und Autorität zu machen, die uns unsere Völker verliehen haben.«
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    Stalin nickte Roosevelt zu, der den Kneifer abnahm und in der Hand behielt, während er sprach. »Ich möchte Herrn Hitler in diesem Kreis willkommen heißen«, sagte er. »Bei den bisherigen Treffen zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten war es unsere Gewohnheit, nichts Schriftliches an die Öffentlichkeit zu geben, sondern sehr frei und offen auszusprechen, was wir denken. Und ich möchte auch jetzt jeden von uns eindringlich dazu auffordern, so frei und offen zu sprechen, wie er dies auf Grund des aufrichtigen guten Willens, den wir durch unsere Anwesenheit in diesem Raum bereits bekundet haben, zu tun wünscht. Wenn jedoch jemand von uns über ein bestimmtes Thema nicht sprechen möchte, so muss er es natürlich nicht tun.« Roosevelt lehnte sich im Rollstuhl zurück und wartete, dass Ribbentrop, der hervorragend Englisch sprach, zu Ende übersetzte.
    Hitler nickte und verschränkte die Arme. Er schwieg. Nur Stalin, der seine Pfeife mit Tabak aus aufgerissenen russischen Belomor-Zigaretten stopfte, schien von diesem Schweigen gänzlich unbeeindruckt. Als Hitler dann sprach, begriff ich nicht ohne eine gewisse Belustigung, dass der Führer zuerst noch sein Pez-Pfefferminz fertig zu lutschen versucht hatte.
    »Danke, Marschall Stalin, danke, Herr Präsident. Ich hätte mich auch gern bei Mr. Churchill bedankt. Es ist jedoch meine Überzeugung, dass die drei hier vertretenen Länder die größte Konzentration weltlicher Macht darstellen in der Geschichte der Menschheit, und daher bin ich der Meinung, dass auch wir drei allein diesen Krieg abzukürzen vermögen und dass der Friede in unser aller Hand liegt. Die Vorsehung bevorzugt Menschen, welche die Gelegenheiten zu nutzen verstehen, die ihnen das Schicksal gibt. Dies ist eine solche Gelegenheit, und jenen, die uns vielleicht vorwerfen, dass wir sie nutzen, will ich sagen, dass die abstrakten Vorstellungen, was richtig oder falsch ist im Krieg oder im Frieden, wenig zu tun haben mit der politischen Realität. Moral hat keinen Platz am Verhandlungstische, und die 489

    einzigen Wahrheiten, die wir anzuerkennen haben, sind die des Pragmatismus und der Zweckdienlichkeit.«
    Roosevelt strahlte wie ein wohlwollender Onkel und nickte zufrieden,

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