Der Pakt
nicht. Wir sagen, Hess muss im Gefängnis bleiben.«
»Haben denn die Russen nicht selbst versucht, einen Separatfrieden mit Deutschland zu schließen?«, fragte Roosevelt. »Hat Marschall Stalin die Verhandlungen vergessen, die in Stockholm zwischen der sowjetischen Botschafterin, Madame de Kollontay, und dem deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop stattgefunden haben? Es leuchtet mir nicht ein, dass Sie den Briten vorwerfen, was Sie selbst tun.«
»Ich werfe es nicht den Briten vor«, sagte Stalin. »Nur Rudolf Hess. Ich bin nur dagegen, dass er nach Deutschland zurückkehren darf. Aber wo wir gerade beim Thema Separatfrieden sind: Es ist unseren Geheimdiensten nicht entgangen, dass Ihr persönlicher Beauftragter, Commander George Earle, und der deutsche Türkei-Botschafter Franz von Papen ebenfalls eine Reihe von Friedensgesprächen geführt haben.«
Dem folgte längeres Schweigen. Endlich ergriff Hitler das Wort, der jetzt, wie mir schien, ein wenig hämisch lächelte, ganz so, als ob ihm diese offensichtlichen Spannungen zwischen Stalin und Roosevelt Vergnügen bereiteten. »Meine zweite Bedingung«, sagte er, »ist, dass Deutschland keine Reparationen zahlen muss. Alles Eigentum, das aus den besetzten Gebieten nach Deutschland gebracht wurde, wird natürlich zurückgegeben. Aber es scheint uns nur gerecht, dass jeder seine Kosten selbst trägt. Wenn Deutschland Reparationen an Russland leisten würde, dann würde das Tür und Tor öffnen für weitere Forderungen von Großbritannien, Frankreich, Polen und allen übrigen. Wo wäre dann Schluss? Und was würde Russland sagen, wenn es Polen Reparationen zahlen sollte? Oder Italien?
Würde es Abessinien entschädigen, wenn es Forderungen an Deutschland stellte? Nein, meine Herren, wir müssen Tabula rasa machen, sonst kann es keinen wirklichen Frieden geben. Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, dass die Rechnung, 497
die uns in Versailles präsentiert wurde, vom Völkerbund und insbesondere von den Franzosen, Deutschland gar keine andere Wahl ließ, als wieder in den Krieg zu ziehen.«
»Ich für meinen Teil muss sagen«, wiederholte Roosevelt mit Absicht Stalins Formulierung, »dass mich Reparationen noch weniger interessieren als die Herausgabe von Rudolf Hess. Für uns ist das alles nicht von Belang.«
»Weil Sie so wenig verloren haben«, sagte Stalin ein wenig gereizt. »Ich sehe nicht, wie wir je Ihre Kriegsmateriallieferungen bezahlen sollen, wenn Deutschland uns keine Reparationen leistet.«
»Ich finde, der Führer hat da etwas sehr Richtiges gesagt, Marschall Stalin«, erklärte Roosevelt. »Wenn er Ihnen Reparationen zahlt, welche Reparationen zahlen Sie dann den Polen?«
Hitler versuchte, seine Befriedigung zu verbergen. Er schien jetzt ganz darauf bedacht, den Vermittler zwischen Roosevelt und Stalin zu spielen. »Aber ist es denn überhaupt möglich«, fragte er, »eine Vereinbarung zu erzielen ohne die Briten? Habe ich aus deren Abwesenheit zu schließen, dass sie gar nichts akzeptieren werden? Wird Deutschland einen Frieden mit Russland und Amerika aushandeln, nur um sich dann immer noch im Krieg zu befinden mit Großbritannien?«
»Machen Sie sich wegen der Briten keine Sorgen«, sagte Roosevelt. »Von jetzt an entscheiden die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion. Amerika ist gewiss nicht in diesen Krieg eingetreten, um das britische Weltreich wieder herzustellen.
Oder auch das französische. Die Vereinigten Staaten zahlen die Rechnung für diesen Krieg, und das gibt uns gewisse Vorrechte.
Wenn wir Frieden wollen, dann wird seitens der Westalliierten kein Krieg mehr geführt, das jedenfalls kann ich dem Führer versichern.«
498
Stalin nahm das mit einem breiten Lächeln auf. Ich befürchtete allmählich, dass sich der Präsident etwas übernommen hatte.
Stalin allein war ja als Verhandlungspartner schon schlimm genug, aber er und Hitler waren wie zwei hungrige Wölfe, die von zwei verschiedenen Seiten angriffen. Roosevelts Eingeständnis, dass die Briten bei den bevorstehenden Entscheidungen so gut wie keine Rolle spielen würden – dass Russland und Amerika die beherrschenden Mächte der Nachkriegswelt sein würden –, das war mehr, als Stalin sich je hätte erhoffen können.
10.30 UHR
Himmler war hochzufrieden. Nicht nur, weil er diese geheimen Friedensverhandlungen zustande gebracht hatte, sondern auch mit der Art, wie der Führer die Situation handhabte. Er wirkte plötzlich viel geistesgegenwärtiger
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