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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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uns Menschen. Sie haben Glück, denn am Dienstag gebe ich selbst eine Party zur Feier meines Geburtstags, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie kämen.«
    »Danke, Sir, aber ich bin mir nicht sicher, ob Marschall Stalin meine Anwesenheit recht wäre.«
    »Da es nicht Marschall Stalins Geburtstagsfeier ist – so es da je Anlass zum Feiern gab –, braucht Sie das nicht im Geringsten zu kümmern, Mr. Mayer. Ich erwarte Sie am Dienstagabend, acht Uhr, in der britischen Botschaft. Abendanzug. Keine Hunde.«
    Churchills Worte klangen mir noch in den Ohren, als der Premierminister längst weg und ich bereits in einem Army-Jeep auf dem Rückweg nach Camp Amirabad war. Ich war mir sicher, dass ich gerade den einen Mann auf der Welt getroffen hatte, der die Wahrheit verkörperte und den Mut zur Wahrhaftigkeit beweisen würde.
    21.00 UHR
    Nachts gibt es keine Sonne, nur Dunkelheit. Im Iran kommt die Dunkelheit schnell und mit ihren eigenen Dämonen. Ich lag auf meinem Bett in einer Militärbaracke, rauchte und betrank mich still und leise. Um kurz nach zehn klopfte es an meine Tür. Ich öffnete. Da stand ein großer, krummschultriger Mann mit den langen Gliedmaßen und großen Füßen eines Basketballers vor 534

    mir. Er trug einen weißen Kittel über der Army-Uniform und beäugte den Drink und die Zigarette in meiner Hand mit einer Mischung aus militärischer und medizinischer Missbilligung.
    »Professor Mayer?«
    »Wenn das auf dem Zettel an meinem Zeh steht.« Ich setzte mich auf mein Bett. »Kommen Sie rein. Gießen Sie sich einen Drink ein.«
    »Nein, danke, Sir. Ich bin im Dienst.«
    »Schön zu wissen, dass jemand im Dienst ist.«
    »Sir, ich bin Lieutenant John Kaplan«, sagte er und tat einen Schritt ins Zimmer. »Ich bin Oberstabsarzt am Militärkrankenhaus hier in Camp Amirabad.«
    »Schon gut, Lieutenant Kaplan, ich bin nur ein bisschen betrunken. Mir den Magen auszupumpen ist im Moment noch nicht nötig.«
    »Es geht um Mr. Pawlikowski, Sir. Den Mann vom Secret Service. Er verlangt nach Ihnen.«
    »Nach mir?« Ich lachte und trank einen Schluck. »Um mit mir zu reden oder um mir zu sagen, dass ich ein mieser Scheißkerl bin? Wissen Sie, ich fühle mich im Moment sowieso schon ein bisschen labil.«
    »Ich glaube nicht, dass er wütend ist.«
    »Nein? Also, ich wär’s, wenn mich jemand dran gehindert hätte –« Ich lächelte und setzte noch einmal an, mit der offiziellen Version. »Wenn mir jemand ein Loch in die Leber gepustet hätte. Wie geht’s ihm überhaupt?«
    »Er ist stabil.«
    »Wird er durchkommen?«
    »Das lässt sich noch nicht sagen. Leberverletzungen als solche sind meistens simpel. Das Problem sind postoperative Komplikationen. Sepsis. Erneute Blutungen. Austreten von Gallenflüssigkeit.« Kaplan zuckte die Achseln. »Aber er ist in 535

    guten Händen. Ich war vor dem Krieg Hepatologe am Cedars-Sinai-Krankenhaus. Bei jedem anderen behandelnden Arzt würde ich sagen, seine Chancen stehen nicht allzu gut.«
    »Schön, jemanden zu treffen, der noch überzeugt ist von dem, was er tut.« Ich nickte. »Wollte, ich könnte das von mir ebenfalls sagen.«
    »Kommen Sie?«
    Ich stand auf und nahm mein Jackett vom Haken an der Tür.
    Als ich es anzog, bemerkte ich, dass da immer noch Blut am Ärmel war. Es war Pawlikowskis Blut, aber ich wünschte schon fast, es wäre meins.
    Ich folgte Kaplan aus der Baracke. Er knipste eine GI-Winkelstablampe an und führte mich über ein paar Laufplanken.
    »Was ist überhaupt passiert?«, fragte er. »Die Informationen sind ein bisschen wirr. Jemand hat gesagt, er wollte den Präsidenten erschießen.«
    »Nein. Das stimmt nicht. Ich war dabei. Ich hab’s gesehen.
    Niemand wollte FDR erschießen.«
    »Aber was ist dann passiert?«
    »Es war einfach nur ein Unfall. Ich glaube, in der Nähe des Präsidenten schießen die Jungs vom Secret Service manchmal ein bisschen zu schnell.«
    Das Lügen hatte begonnen.
    John Pawlikowski war bleich und schlief. Er hatte einen Tropf in der Armvene und ein paar Schläuche im Bauch. Er sah aus wie ein Chemiewerk.
    Kaplan berührte Pawlikowskis Arm.
    »Nicht wecken«, sagte ich. »Lassen Sie ihn erst mal schlafen.
    Ich setze mich eine Weile zu ihm.«
    Der Arzt zog einen Stuhl heran, und ich setzte mich.
    536

    »Außerdem gibt mir das einen Grund, von der Flasche zu lassen. Ich nehme an, hier drinnen ist Alkohol verboten.«
    »Streng verboten«, sagte Kaplan lächelnd.
    »Gut.«
    Kaplan ging nach einem anderen Patienten sehen.

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