Der Paladin
Himmel...«
Er drehte sich um. Hinter den Weiden, über den Deichen, wies der Himmel einen Rotstich auf wie kurz vor Sonnenaufgang. Und der Rauch war die ganze Zeit über dagewesen.
Ein Feuer. Ein großes Feuer.
»Richtung Ygotai«, sagte er und erhob sich. Der Schmerz im Knie machte ihm immer noch zu schaffen, doch plötzlich war er nebensächlich im Vergleich zu dem eisigen Verdacht, es könnte sich eine Katastrophe ereignet haben.
Taizu ging um die Weiden herum zum Ufer und kletterte auf den Deich. Er folgte ihr langsamer, denn er spürte die Steigung in seinem Knie, er glitt auf dem Gras aus und sah den Schein heller und heller werden, bis er die Anhöhe erreicht hatte und das Rot sah, dem der helle Rand eines nahen Feuers fehlte.
Nicht Richtung Ygotai.
In
Ygotai. Kein brennender Heuschober. Etwas Größeres, Bedrohlicheres.
»Es liegt in der Stadt«, meinte Taizu.
»Komm«, sagte er. »Wenn wir rüber wollen, dann sollten wir es jetzt versuchen.«
Sie folgte ihm den Abhang hinunter und durch die Weiden hindurch zu der Stelle, wo die Pferde standen. Sie führten die Pferde über die steile Böschung auf den Deich hinauf und saßen auf, die Gesichter dem Feuerschein zugewandt.
Taizu stellte keine lauten Überlegungen an. Er ebenfalls nicht. Doch er trieb die Pferde zu schnellerer Gangart an, als er es sonst getan hätte, da er meinte, daß das Feuer, auch wenn es sich nur um einen Unfall handelte, um ein Kochfeuer, das auf ein Haus übergriffen hatte, dennoch die Soldaten anlocken konnte, die der Richter erwähnt hatte; und wenn sie früh genug dort eintrafen, konnten sie in dem Tumult vielleicht unbemerkt die Brücke erreichen und diese überqueren, solange die Stadt noch beschäftigt war.
Abgesehen von dem Unglück, das es für den Eigentümer bedeuten mochte, war es für sie eine Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt verstreichen lassen durften.
Er fürchtete jedoch etwas anderes. Er fürchtete sich vor etwas schwer Greifbarem – vor Aufruhr und Vögeln...
Je weiter sie ritten, desto heller wurde der Feuerschein, desto beißender der Rauch, bis am Horizont ein heller Streifen auftauchte und ihnen endgültig klar wurde, daß da mehr brannte als nur ein Haus oder eine Scheune.
»Es muß die ganze Stadt sein«, sagte Taizu. »Die ganze
Stadt
brennt.«
Er dachte an einen Unfall. Er dachte an die bevorstehende Durchquerung des Orts.
Und an die Brücke, die eine schmale Brücke war, und an den Weg, den alle, welche die Provinz nach Süden verlassen wollten, einschlagen mußten – wenn sie kein Boot hatten.
Vielleicht sollten sie die Pferde aufgeben und versuchen, irgendwo am Flußufer Ygotais ein Boot zu stehlen. Sie könnten den Hoi überqueren und nur mit ihrer Rüstung und ihren Waffen nach Hoisan gehen. Jiro und die Stute aufgeben, in der Hoffnung, daß sie den Fallen, die man zwei Reitern gestellt hatte, entgingen...
Was sein mußte, mußte eben sein, verdammt noch mal. Der alte Bursche würde hoffentlich den Weg zu den Stuten des Richters finden und keinen Söldnern in die Hände fallen.
»Da sind Boote«, sagte Taizu. Mehre Boote fuhren übers dunkle Wasser. Je weiter sie kamen, desto mehr wurden es, bis sie ebenen Boden erreicht hatten und Bäume zwischen sie und den Fluß traten.
Vor ihnen waren Menschen, unberitten, ungepanzert, Menschen mit Körben und Bündeln, auf der Flucht vor dem Alptraum aus Feuer und beißendem Rauch. Als er um eine Kurve bog und sich plötzlich den Marschierenden gegenübersah, zügelte Shoka sein Pferd, und die Stute tänzelte unter Taizus Hand nervös vor und wieder zurück.
»Das sind Stadtbewohner«, sagte Taizu. »Auf der Flucht vor dem Feuer.«
Es war schlimmer, als Shoka gedacht hatte. Viel schlimmer. Das Feuer hatte Häuser und Scheunen erfaßt. Seine böse Vorahnung wurde zur Gewißheit. Diese
verfluchte
Stute.
Es
ist unsere Schuld. Das ist unser Werk.
»Los«, sagte er und ritt langsam vor. Die Menschen stoben vor ihnen auseinander, drängten sich zwischen die Bäume, schrieen und weinten.
Das waren die Soldaten
, hörte er rufen.
Das waren die Soldaten.
Und als sie in die Stadt kamen, sahen sie Männer vor den brennenden Häusern vorbeireiten; auf der Straße lagen Tote, bleiche Flecken auf dem feuererhellten Boden.
Das waren die Soldaten.
»Zur Hölle mit ihnen«, sagte Taizu in einem heiseren, dämonischen Ton. »
Zur Hölle mit ihnen!
«
Er zügelte Jiro, hob den Helm hoch, der bis jetzt nutzlos an sein Knie geschlagen war, setzte ihn auf
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