Der Paladin
die beim Anblick von Reitern ihr Hab und Gut aufgaben, es an den Straßenrand warfen oder ihre Handwagen stehenließen und flohen, ihre Kinder hinter sich herziehend oder sie tragend. Manche versteckten sich ganz in der Nähe der Straße, alte Leute vielleicht, außer sich vor Angst.
Es dauerte jedoch nicht lange, und sie hatten all diese Flüchtlinge hinter sich gelassen, und vor ihnen lag die freie Straße, die durch flaches, unberührtes Land führte.
Sie befanden sich auf der Straße nach Keido, vermutete Shoka. Im Westen waren Hügel, das würde die Verfolgung erschweren und ihnen eine Chance bieten – solange ihre Pferde gesund blieben: das war seine größte Sorge, und aus eben diesem Grund wollte er sich solange wie möglich an die befestigte Straße halten, solange sie auf die Hügel zuführte. Sie ritten in gemächlichem Tempo, ließen die Pferde ausruhen, wenn sie müde waren, und Shoka schätzte, daß sie nur eine minimale Entfernung zwischen sich und den Ärger legten, der von Ygotai nach Keido strömte.
»Morgen wird ein schwerer Tag«, sagte er, als Taizu sich darüber beklagte, daß sie zu oft rasteten. »Ruh dich jetzt aus.« Er ließ sich neben ihr niedersinken, Jiros Zügel in der Hand, und stellte fest, daß sein Bauch leer war und schmerzte. »Wir machen es schon richtig. Keine Sorge.«
Sie hat Angst, dachte er, neben ihr im Dunkeln sitzend. Es war nicht leicht, Taizu in Angst zu versetzen, aber heute wurde sie mit einer Menge alter Erinnerungen konfrontiert. Er sehnte sich nach dem Tageslicht, das er zugleich fürchtete; und sah es nahen, als die Sterne verblaßten.
»Schlaf«, sagte er. »Kannst du?«
Ein Seufzen neben ihm im Dunkeln. Sie lehnte sich an ihn, begleitet vom Knirschen ihrer beider Rüstungen, und sie legte den Arm um ihn. Kurz darauf erschlaffte sie, und er lehnte sich gegen die Böschung zurück, ins Gras, und versuchte, nicht seinerseits einzuschlafen oder die Pferde aus den Augen zu verlieren, die aufgezäumt grasten, während er die Zügel um die Hand geschlungen hatte. Es wäre so verdammt einfach gewesen. Und er war wirklich ein Narr, dachte er: die Jungen hielten viel mehr aus.
Doch er wußte, wie man im Sattel schlief. Wenn sie ausgeruht war, konnte sie eine Weile aufpassen, während er ein Nickerchen machte. Sie konnten die Straße am Morgen verlassen und den Weg quer durch das felsige Hochland abkürzen – wobei sie Spuren hinterlassen würden, o ja, dank der noch nicht lange zurückliegenden Regenfälle, doch er
wollte
, daß man sie bemerkte, wenn auch nicht aus der Nähe; er vertraute darauf, daß die Bauern, die sich vor ihnen versteckt hatten, sie jedem beschreiben würden, der sich nach ihnen erkundigte.
So würden sie ihre Verfolger von Mon ablenken. Hoffentlich.
Irgendwann rührte er sich und stieß Taizu an. »Tut mir leid. Wir können nicht länger bleiben.«
Es dämmerte schon – graue Bäume und Steine traten hervor, im Osten war ein roter Saum, der nicht vom brennenden Ygotai stammte.
Taizu bewegte sich und blickte umher. »Wie lange?« fragte sie. »Wie lange?«
»Schon gut. Wir haben immer noch einen Vorsprung.«
Das sagte er so.
Doch als er Jiros Zaumzeug überprüfte und in den Sattel stieg: »Verdammt noch mal.«
»Was ist?« fragte Taizu.
»Reiter«, sagte er. Da waren sie, drei von ihnen waren auf der vor ihnen liegenden Hügelkuppe zu sehen. Taizu saß hastig auf und sah sie nun auch.
»Was machen wir jetzt?«
Er wußte es nicht genau. Er betrachtete das Land vor ihnen, das unwirtliche Land zu beiden Seiten. Er setzte Jiro in Bewegung, in der eigenartigen, unirdischen Stille, wie sie Feindseligkeiten vorausging, zwei Parteien, die zu nahe beieinander kampiert hatten.
Er wünschte, Taizu wäre nicht bei ihm gewesen. Er wünschte...
Er war sich nicht sicher.
Weitere Reiter kamen über die Anhöhe.
Zwanzig, dreißig waren es inzwischen.
»Gütiger Himmel«, flüsterte Taizu. Er ritt jedoch weiter, und sie ebenso, ruhig und langsam.
Die Straße nach Keido, dachte er. Fürst Reidis Heimat. Eine Stadt in Hoishi war von Söldnern niedergebrannt worden, und über die Straße, die nach Keido führte, näherte sich eine Armee. Das schien plausibel: der Fürst wollte wissen, was vor sich ging. Weniger einsichtig war, warum die Stadt überhaupt gebrannt hatte. Sie stellte einen gut Teil der Einkünfte von Fürst Reidi.
»Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet«, sagte er. Im trüben grauen Licht konnte er die Fahnen sehen. Das Weiß
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