Der Paladin
stellte sich vor, daß sie in diesem Moment dieselben Gedanken hegte und sich deswegen tadelte, da sie meinte, Meister Saukendar habe irgendeinen geheimen Plan, wie es mit diesen Fürsten nun weitergehen solle, mit diesen Fürsten, die in ihren Burgen hockten, und die, abgesehen von Reidi und Maijun, alle Nachfolger der Männer waren, die er gekannt hatte – während Meister Saukendars Verstand vor Erschöpfung so verwirrt und mit ganz anderen Plänen und Überlegungen beschäftigt war, daß ihm keine andere Möglichkeit einfiel, als der Flut vorauszueilen, ehe die Würfel fielen und sich seine Weisheit in alle Winde zerstreute...
Plane deinen Rückzug....
Minimaler Aufwand...
Überlegene Position...
Vor zehn Jahren hatten die Fürsten neuen Fürsten Platz gemacht, die sich nie im Feld hatten bewähren müssen, und der Himmel allein wußte, was sich an der Straße nach Cheng'di verändert und was überdauert hatte...
Oder wo Ghita steckte und wie groß seine Macht war; oder wieviele Söldner sich mit den kaiserlichen Schätzen kaufen ließen...
Der Fürst rumpelte mit seinem Troß heran – eindeutig
nicht
der korpulente Fürst von Choedri, den er einmal gekannt hatte, sondern ein magerer Büchermensch, dem – Gütiger Himmel! – eine Schriftrolle aus dem Ärmel fiel und der beinahe mit dem Bediensteten zusammengestoßen wäre, der herbeisprang, um sie aufzuheben...
Und nachdem dieser sie ihm gereicht hatte, sagte der vermeintliche Fürst Kegi, die Schriftrolle umklammernd, mit sorgenvoll gekräuselter Stirn: »Fürst Reidi! Fürst Saukendar! Ihr seid es wirklich...«
»Ja«, sagte Shoka und holte tief und entschlossen Luft: »Fürst, ich habe gehofft, daß Ihr kommen würdet.«
Mit zehnmal soviel Männern... Die hoffentlich dort unten sind, Fürst.
Die Bücher hättet Ihr Euch sparen können.
»Ich habe Proviant mitgebracht, Ersatzpferde, alles, was wir haben... Ruht Euch aus! Wir kümmern uns um alles, wir haben Euch ein gutes Abendessen mitgebracht, laßt die Pferde trockenreiben – mein Arzt hat eine Heilsalbe dabei...«
Während die Bediensteten geräuschvoll die Wagen entluden, Kochtöpfe, Bündel und Krüge mit Nahrungsmitteln herunterzogen, ein Getümmel wie in einem Ameisenhaufen. Shoka stand blinzelnd da, während das Mahl zubereitet wurde und sich der Arzt und eine Handvoll Bedienstete um die Pferde kümmerten – ein wildes Durcheinander von Bediensteten und Köchen:
Die Götter stehen uns bei, Nahrung und Tüchtigkeit. Dieser Mann läßt hoffen...
Was ausreichte, um seine Knie weich werden und seine Sicht verschwimmen zu lassen, so daß ihm wieder einfiel, daß er erschöpft und mit seiner Weisheit am Ende war. »Fürst«, sagte er in der Absicht, entgegenkommend zu sein, »entschuldigt mich. Ich überlasse Euch alles Weitere.« Mit letzter Kraft; und er schleppte sich zusammen mit Taizu zu ihren Dekken am Straßenrand.
Kegi könnte sie alle ermorden, dachte er. Kegi, dem Reidi seit Jahren so vertraute, könnte ein Spion sein. Er war neu im Amt. Der Regent mußte seiner Ernennung zugestimmt haben. Alles konnte Täuschung sein, niemandem durften sie trauen, doch sie waren so weit gegangen, wie Fleisch und Knochen sie ohne Rast und Schlaf zu tragen vermochten.
Wenn wir diese Speisen essen, können wir ebensogut in seiner Burg schlafen. Reidi vertraut ihm. Taizu erhebt keine Einwände. Wenn es in Chiyaden keine ehrbaren Männer mehr gibt – warum sind wir dann überhaupt hier, welche Chancen haben wir dann überhaupt noch?
Worauf er ins Dunkel abglitt, dankbar dafür, eine Weile loslassen zu können.
Unter den Lidern hindurch sah er jedoch undeutlich Kegis Männer umhereilen, sah sie stehenbleiben und starren und miteinander tuscheln...
Was gafft ihr denn so?
wunderte er sich. Ein Leben lang hatte man ihn angestarrt und hinter seinem Rükken getuschelt...
Doch er vernahm das Wort
Frau
, und nun wußte er, worum es ging und was sie flüsterten und warum.
Die Dämonenfrau, die Hexe: das Gerücht breitete sich noch immer aus, diesmal durch Kegis Boten. Sie sahen einen umstrickten Mann, sie tuschelten miteinander, sie spannen sich alles nach Gutdünken zurecht – und wenn Taizu sie hörte, so schwieg sie und beklagte sich nicht.
Das gefiel ihm nicht. Es hatte ihm noch nie gefallen. Er verfluchte seine damalige Laune, den ganzen Wahnsinn, in den sie verwickelt waren...
Die Götter allein wußten, wieviel sie davon mitbekam: von den halblauten Bemerkungen über die Narbe in ihrem
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