Der Papstkäufer
vergewaltigt, Paläste und Kirchen geplündert, Reliquien geschändet. Kardinäle, viele davon gute, langjährige Zink-Kunden, wurden öffentlich gedemütigt, nackt durch die Straßen gejagt und geschleift oder in gespielten Leichenzügen symbolisch beerdigt. Jahrzehntelang angestauter Unmut über die Dekadenz und Korruption der katholischen Kirche brach sich hier Bahn. Die Söldner feierten Orgien mit gestohlenem, geweihtem Messgeschirr. Einige Kardinäle schafften es mit letzter Kraft, teilweise nackt und halbtot geschlagen, sich in die Engelsburg zu retten. Durch den Passetto di Borgo hatte auch Papst Clemens VII., zusammen mit zweiundvierzig seiner ursprünglich von Johannes Zink angeworbenen Schweizer Soldaten, dorthin fliehen können. In der Burg wurden sie unter der Führung des kaiserlichen Feldhauptmanns Sebastian Schertlin von Burtenbach belagert. Die Soldaten provozierten die Eingeschlossenen zusätzlich, indem sie dem in der Engelsburg festsitzenden Papst immer wieder zuriefen: »Es lebe Papst Luther!«.
Angeblich fiel die Hälfte der römischen Bevölkerung dem Massaker zum Opfer – etwa dreißigtausend Menschen. Von diesem Gemetzel, das als ›Sacco di Roma‹ die ganze Welt empörte, das auch vor Bibliotheken und Kunstwerken nicht haltmachte, wurde lediglich und wundersam nur die Fuggersche Faktorei am Rio di Ponte verschont. Dies war, neben der Engelsburg, der einzig sichere Platz in ganz Rom. Sogar noch sicherer, denn selbst der Papst musste sich nach vier Wochen Belagerung ergeben und sein Leben gegen Zahlung eines immens hohen Lösegelds – vierhunderttausend Gulden allein für den Papst! – erkaufen, während im Hause Fugger kein einziger Dukaten zu Unrecht angetastet wurde.
Doch so wundersam war die Sache wieder auch nicht: Die Fuggerfaktoren Engelhard Schauer und Christoph Muehlich machten von vornherein gemeinsame Sache mit den Plünderern, ließen gestohlenes Messgeschirr und Tafelsilber aus dem Petersdom und dem Vatikan einschmelzen und halfen den Soldaten, ihre Beute sicher nach Deutschland zu bringen.
Darüber hinaus tätigte die Firma Fugger, die doch so maßgeblich dafür gesorgt hatte, dass der Unmut über die Kirche erst entstanden war, sogar Überweisungen der Plünderer nach Deutschland. Beute im Wert von vierundzwanzigtausend Gulden wurde nach Deutschland transportiert.
Ausnahmsweise nahm das Geld nun mal den anderen, umgekehrten Weg …
Sogar die Marketenderinnen und Huren ließen sich von Schauer – respektive der Fuggerbank– bezahlen.
Als Anton Fugger dies erfuhr, war das Ende der ›Ulrich Fugger und seiner Gebrüder Bank zu Rom‹ gekommen.
Schauer und Muehlich wurden fristlos entlassen.
Auch wenn die Bilanz der römischen Filiale vom 31. Dezember 1527 den Sacco di Roma mit keinem Wort erwähnte, fanden sich dort einige seltsame Posten, die in einer normalen Bank nichts zu suchen hatten. Kurz darauf wurde die römische Fugger-Bank am Rio di Ponte auf Anweisung Anton Fuggers geschlossen.
Die Geschäfte der Fugger mit dem Papst waren vorläufig am Ende.
Epitaph
38
In Jakob Fuggers Buchhaltung taucht als letzter Beweis der Existenz Johannes Zinks der Vermerk auf: › Debitori Herr Hanns Zinckh seliger tl. 504 ß 19 d 10.‹
Das Ganze im ›Kapitel IV: ›Böse Schuldner: Hierin werden begriffen Schulden, die nicht gar gewiss, eines Teils gar böse sind.‹
Auf seinem Grabstein – wenn es einen gäbe – sollte stehen: ›Hier ruht ein Mensch, der in einer Zeit voller schlechter Menschen einer der schlechtesten war.‹
Während man von Jakob Fugger sagen kann, dass er weder besonders gut noch sonderlich böse war, sondern lediglich gefühllos, kalt und korrekt bis zur Besessenheit, ging die Nachwelt mit Johannes Zink weit weniger gnädig um. Sein absoluter Mangel an Skrupeln, sein Geschick zur Korruption und seine bedingungslose Durchtriebenheit machen ihn zu einer der fürchterlichsten, weitgehend unbekannten Gestalten der Geschichte. Ohne seine tätige Mithilfe wären die Reformation, die Spaltung Europas und somit die Weltgeschichte sicherlich anders verlaufen.
Seinem (vermutlichen) Vater hingegen erging es nach dem Tod wesentlich besser. In erster Linie für die Tatsache, mit seiner vierbändigen Augsburger Chronik der Verfasser der ersten bekannten Autobiografie zu sein, wurde ihm später Ruhm zuteil. In seiner Geburtsstadt Memmingen wurde 1862 ein Denkmal von Hans Leeb, einem Memminger Kaufmann, gestiftet und am Hallhof aufgestellt. Dieses
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