Der Papstkäufer
reiche Handelsbaron in seiner eigenen Heimatstadt einer Demonstration ausgesetzt sah. Am 9. August erschienen zweitausend der aufrührerischen Reformer in Harnisch und Waffen vor dem Augsburger Rathaus und forderten unter anderem, den Prediger Johann Schilling in Augsburg zu belassen.
Gejohle und Anfeindungen gegen Jakob Fugger begleiteten die lautstark vorgetragenen Reden. Jakob Fugger hatte nämlich heimlich versucht, Schilling, der nach seiner Meinung erheblich zu große Sympathien mit Luthers Ideen hegte, versetzen zu lassen. Durch eine Indiskretion aus dem Orden Schillings war die stillschweigend geplante Versetzung jedoch vorzeitig bekannt geworden. Auch an der Papsttreue des Rates gab ihm die Menge Schuld. Den Ratsherren wurde ebenso angst und bange. Was tun, wie sollte man da wieder herauskommen? Die Situation war verfahren.
Also ließ man heimlich Truppen anwerben, gleichzeitig aber die Aufrührer beschwichtigen. Niemand aus der Menge vor dem Rathaus glaubte auch nur ein Wort von dem, was die Ratsherren dabei von sich gaben. Die bewaffnete Meute forderte schließlich, Jakob Fugger sehen zu wollen. Das war allerdings das Letzte, was dieser wollte. Mit dem Pöbel auf der Straße zu diskutieren, sich ihm womöglich sogar auszuliefern!
Die Situation drohte, sich weiter zuzuspitzen, so dass der reiche Kaufmann tatsächlich aus seiner Heimat flüchtete und sich klammheimlich auf sein Schloss Biberach zurückzog, wo ihm keinerlei Gefahr drohte.
Dem Augsburger Rat gelang der diplomatische Spagat: Er lenkte ein in der Causa Schilling, ließ aber im Gegenzug die Anführer der Demonstranten hinrichten.
Offiziell herrschte nun wieder Ruhe in der Stadt am Lech, so dass Jakob Fugger nach Hause zurückkehren konnte. Unter der Oberfläche gärte und brodelte es jedoch weiter …
In Rom stand es nicht zum Besten. Johannes Zink war bereits vor Längerem nach Augsburg zurückgekehrt. Krank war er, alt und verbittert, sowie, erstaunlicherweise, auch völlig überschuldet. Der Mann, der jahrzehntelang alles gekauft hatte, was es für Geld zu kaufen gab – Güter, Pfründen, Meinungen, Recht, Unrecht, Sünden und deren Ablass –, hatte zuletzt privat schlechten Geschäftssinn bewiesen. Schiffe, in die er investiert hatte, waren untergegangen. Oder von Piraten ausgeraubt worden. Er war windigen Spekulationen in London und Antwerpen aufgesessen. Die Vorfälle hatten sich gehäuft, bis all sein Geld weg gewesen war. Beziehungsweise: Bis mehr Schuldscheine von Zink im Umlauf waren, als er Geld besaß. Sogar der gute Erlös aus seiner römischen Villa war weg, einfach so verschwunden im Orkus des nunmehr pechbehafteten, kaufmännischen Treibens.
Nur kurze Zeit zuvor hatte Luther sein großes Traktat ›Vom Kauf, Handel und Wucher‹ veröffentlicht, fast als hätte er gewusst, dass die Lebenszeit seiner beiden großen Feindbilder dem Ende zuging und sie diese grandiose Abrechnung mit ihrer Zunft aber noch erleben sollten.
Daheim angekommen, lag der alte, nunmehr ehemalige Fuggerfaktor meist auf dem Krankenlager und verwünschte den jungen Anton Fugger, der jetzt an seiner Stelle in Rom intrigierte und korrumpierte, wenn auch längst nicht so erfolgreich wie er, der Altmeister.
»Sogar die päpstliche Münze hat er sich wieder abluchsen lassen, der Grünschnabel«, murmelte er nicht ganz ohne Genugtuung vor sich hin.
»So viel sind die Verträge mit dem Vatikan also noch wert«, sagte nun genau der Mann, für den Verträge und Abmachungen ein Leben lang nicht mal das Papier wert gewesen waren, auf dem sie aufgesetzt worden waren.
Es war kalt in der Stube, der schwäbische Winter kam unerbittlich näher. Zinks Leibarzt stand vor dem Krankenbett, mit geziemendem Sicherheitsabstand, und schimpfte.
»Euer Wunderheiler, der Euch vor einigen Jahren angeblich von der Pest geheilt hat, hätte das besser einmal anständig erledigt!«
Zink zog sich die Decke über die Schulter. Sie stank nach Moder und Schweiß. Das kleine Feuer im Kamin reichte bei Weitem nicht aus, Zinks Krankenzimmer auch nur angemessen warm zu halten. Er hatte Durst, seine Zunge war trocken und fühlte sich belegt und pelzig an. Wo war nur der verfluchte Wasserkrug? Teuren Falerner gab es schon lange nicht mehr im Hause Zink.
»Wie meint Ihr das?« Die Frage war mehr ein Röcheln.
Der ältere Mann – für einen Arzt im Sold der Stadt war er viel zu teuer gekleidet, hob seine linke Hand, fast so, als wolle er damit ein lästiges Insekt
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