Der Papstkäufer
dass nun ein Ende sei mit der Erpressung.
»Ich habe genug gezahlt. Mehr, als Ihr wert seid. Und Euer Leben. Das dürft Ihr ruhig wörtlich und als Drohung ansehen, solltet Ihr Euch nicht mit dem bescheiden, was Ihr bislang erhalten habt.«
Giulia verstand und gab Ruhe. Einstweilen …
Instinktiv erkundete Anton Fugger mit Zink die verschlungenen Pfade der Kurie. Sein Sprachtalent und seine guten Umgangsformen erlaubten es ihm, schnell Kontakte zu knüpfen. Gezielt trieb er andererseits den alten, gewieften Faktor in Unzufriedenheit und Aufmüpfigkeit. Mal kanzelte er Zink vor dessen Untergebenen ab, mal ließ er ihn bei einem Geschäft ganz außen vor. Mehr und mehr gab er ihm bewusst das Gefühl, überflüssig geworden zu sein. Gerade so, als warte er darauf, dass Johannes Zink ihm selbst einen direkten Grund zur Kündigung liefern würde.
Das Frühjahr war ungewöhnlich nass und kalt. Bei zwei der größten Kornspeicher Roms begann das Dachgebälk zu faulen. Sie liefen Gefahr, feucht zu werden. Das in den Speichern gelagerte Getreide, das noch bis zur nächsten Ernte vorhalten musste, drohte zu verderben. Der Rat der Stadt war sich ausnahmsweise einmal einig und ließ die Speicher räumen, um das noch brauchbare Getreide in Sicherheit zu bringen. Das bereits verdorbene ließ man einfach offen zugänglich darin liegen. Das sollte sich als grober Fehler erweisen. Es dauerte nur einige Wochen, dann wurde Rom von Ratten geradezu überrannt. Die ersten Pestkranken folgten auf dem Fuße. Allerdings brauchte es eine Weile, bis die Römer diese Bedrohung auch wirklich als solche erkannten. Denn die ersten Toten auf den Straßen wurden einfach fortgeschafft, wie die anderen auch, die seit ewigen Zeiten an irgendwelchen Krankheiten in den dreckigen Gassen der Städte elendiglich verreckten. Dann begannen die Menschen, in ihren Häusern zu sterben, und man bemerkte es erst, als der Gestank der verwesenden Körper die Nachricht brachte, dass die Pest wieder einmal zu Besuch in Rom weilte. War es doch beileibe nicht die erste Pestepidemie, die Rom heimsuchte. Die Römer behaupteten von sich, sehr erfahren im Umgang mit dieser Geißel Gottes zu sein.
Wer einige Wochen später, als die Epidemie schon mit voller Wucht wütete, durch Roms Gassen spazierte, konnte erstaunt feststellen, dass die Kranken dort, in aller Öffentlichkeit, zur Ader gelassen wurden. Das verpestete Blut lief einfach in den Rinnstein, wo Insekten und Ratten sich dran gütlich taten. Half das Aufschneiden der Venen nicht mehr, wurden die Kranken mit Brechmitteln und Einläufen traktiert. Dies allerdings geschah hinter verschlossenen Türen, auch die Belastbarkeit der Römer hatte ihre Grenzen.
Die Zahl der Kranken nahm zu, ebenso die Anzahl der Menschen, die nur noch mit einem Tuch oder einer Maske vor dem Gesicht ihr Haus verließen. Johannes Zink überredete Anton Fugger, dass sie sich einen Jungen anstellten, der, wenn sie geschäftlich das Kontor verlassen mussten, vor ihnen herging und duftende Hölzer und Kräuter in einem schwenkbaren Messingkelch verbrannte. In dieser wohlriechenden Wolke fühlten sie sich sicher in Roms Gassen.
Wie vorher bereits, bei anderen Pestausbrüchen, glaubten die Römer fest an die Unbesiegbarkeit Roms und – erstaunlicherweise –, verließ fast niemand die Stadt. Anton Fugger und Zink diskutierten ein paar Tage lang darüber, das Kontor vorsichtshalber zu schließen und aus der Stadt zu flüchten. Zink empfand eine Flucht jedoch als unrömisch und feige, womit er Anton Fugger, der ja ein echter Römer werden wollte, überzeugte. Das Fuggerkontor wurde lediglich komplett mit Essigwasser ausgesprüht. Das sollte reichen, nach Meinung der Büroleitung.
Für Johannes Zink war diese Entscheidung verhängnisvoll. Denn tatsächlich sah sich der Rat der Stadt bald darauf genötigt, Zinks Domizil, die ehemalige De-Doffis-Villa, neben vielen Hundert anderen Häusern als Pesthaus zu markieren.
Zink lag darnieder, mit allen Symptomen dieser fürchterlichen Krankheit. Er, der zeitlebens kerngesund gewesen, niemals ernsthaft erkrankt war – von seiner Gicht einmal abgesehen–, rang mit dem Tode. Und kein Geld, kein Fugger, kein Papst, kein Ablass konnten ihm Heilung verschaffen. Selbst die wundersamen Bäder, die ihm sein Leibarzt verordnete – mit Malve, Johanniskraut, Tausendgüldenkraut, Spitzwegerich, Kamille, Sellerie und Grindkraut, alles zusammen in heißes Wasser gerührt, halfen ihm nicht wieder auf
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