Der Papstkäufer
die Beine. Johannes Zink betete um einen wirklich fähigen Arzt, nicht einen Quacksalber, wie sein Leibarzt einer war; was er allerdings zu spät erkannt hatte. Wirklich fähige Ärzte waren dieser Tage rar gesät in Rom, doch nur ein solcher Arzt könnte es zumindest versuchen, ihm Heilung zu verschaffen. Die Chancen standen jedoch eher schlecht. Er hatte starkes Fieber, seine Kopf- und Gliederschmerzen trieben ihn in den Wahnsinn. Am Hals, in den Achselhöhlen und in den Leisten bildeten sich schmerzhafte Beulen. Dicker und dicker wurden sie, schwarzblau gefärbt. Es konnte nur eine Frage weniger Tage sein, die Zink noch zu leben hatte.
Da empfahl ihm einer seiner Kunden, der erst vor einem Jahr ernannte Kardinal Francesco Armellini Pantalassi de’ Medici, einen jungen Arzt aus der Schweiz. Philippus Theophrastus Aureolus Bombast von Hohenheim hatte vor Kurzem in Ferrara seinen Doktor gemacht und war derzeit auf Wanderschaft. Einer Wanderschaft, die ihn, zufällig, während dieser unseligen Pestzeit nach Rom geführt hatte. Ein hohes Honorar wurde ihm versprochen für Zinks Heilung. Armellini selbst hatte noch ein paar Goldmünzen draufgelegt, weil im Falle von Zinks Tod unzweifelhaft die anrüchigen Geschäfte ans Licht kämen, die viele Kardinäle betrieben hatten.
»Macht, dass er wieder aufsteht und seinen Geschäften nachkommen kann!«
So stand der hochgewachsene junge Mann mit sanft gewellten, schulterlangen rotblonden Haaren, vor dem Gesicht eine Maske in Form eines Raubvogels, vor Zinks Krankenbett. Der fühlte sich zu elend, um nach Herkunft und Qualifikation des Arztes zu fragen, er hechelte nur: »Könnt Ihr mich heilen?«
Der Doktor beugte sich hinüber zu seinem Patienten, der seit Tagen sein Hemd nicht mehr gewechselt hatte – er selbst war zu schwach und sonst wollte ihn niemand mehr berühren. Er beschaute und befühlte die Pestbeulen.
»Noch besteht die Möglichkeit zur Heilung, ich glaube, es ist noch nicht zu spät«, sinnierte er.
»Wirklich, oder wollt Ihr mir nur törichte Hoffnung machen?«
Zink hatte von den vielen Toten in Rom gehört, er wollte nicht zu den nächsten gehören.
»Noch sind Eure Beulen nicht aufgeplatzt. Wenn das geschehen wäre, wärt Ihr verloren.«
Er nahm sein Skalpell und mahnte Zink:
»Ihr müsst jetzt sehr stark sein. Ich werde Eure Pestbeulen aufstechen und den Eiter abfließen lassen.«
Zink nickte ergeben. Er hatte keine Wahl. Mit Hilfe des Arztes richtete er sich mühsam auf, gemeinsam zogen sie sein Hemd aus. Nackt, ausgemergelt und hilflos lag dieser sonst so einflussreiche Mann auf seinem Krankenbett. Nichts erinnerte in diesem Moment an den raffinierten, intriganten Fuggerfaktor, der andere Menschen mit seinem Blick förmlich verhexen konnte. Flehend sah er seine letzte Rettung an, eine Mischung aus Todesangst und Hoffnungsschimmer in den Augen.
Philippus Theophrastus Aureolus Bombast von Hohenheim nahm Maß, zielte genau und stach sein Messer in die erste Eiterbeule in Zinks Fleisch. Schwarz-grüner Eiter spritzte heraus. Zink schrie, das hatte nichts Menschliches mehr. Aber nur kurz, dann fiel er in Ohnmacht. Die hielt, zu seinem Glück und zu dem seines Arztes, so lange an, bis der alle Beulen aufgestochen, auslaufen lassen und mit Essigwasser desinfiziert hatte. Auf die frischen Wunden legte er Verbände, die mit Essigwasser und einem Kräutersud getränkt waren.
»Das ist einstweilen alles, was ich für Euch tun kann«, sagte er, ohne zu wissen, ob der vor Schmerz immer noch wie betäubt daliegende Zink ihn verstand.
»In einigen Tagen komme ich nachsehen, ob meiner Behandlung Erfolg beschieden war.«
Das Wunder geschah: Zink genas, als einer der wenigen Infizierten überlebte er die Pestwelle. Nach einer Woche war er schon so gut beisammen, dass er wieder Scherze machte über die wenig göttliche Art dieser Strafe, die doch heilbar war, und auch sogleich nachfragte, ob die Pest wenigstens die Zahl der verkauften Ablassbriefe in die Höhe getrieben habe. Sie hatte, und nicht zu knapp …
Vierzig Tage musste er zu Hause bleiben, unter Verschluss gewissermaßen. Der Rat der Stadt hatte mittlerweile verfügt, dass diese Regel, vom Epidemie-erfahrenen Venedig übernommen, durchaus sinnvoll war, um weitere Ansteckungen zu vermeiden. Zink konnte aber während dieser Quarantäne [14] seiner Arbeit wieder nachgehen. Seine Papiere wurden ihm durch eine Öffnung in der Türe gereicht.
Der Arzt, der sich, ermutigt durch diesen Erfolg und einige
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