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Der Papstkäufer

Der Papstkäufer

Titel: Der Papstkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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überfüllt, siebentausend Wormser Einwohnern standen zehntausend auswärtige Besucher aus ganz Europa gegenüber. Sogar auf umliegenden Dächern hatten sich neugierige Zuschauer niedergelassen, um die Ankunft des berühmtesten Ketzers des Reiches nicht zu verpassen. Martin Luther war tatsächlich nach Worms gereist, obwohl ihn Papst Leo X. exkommuniziert und die Verbreitung seiner Schriften nicht nur verbieten hatte lassen, sondern deren Verbrennung angeordnet hatte. Nur der zugesagte Geleitschutz des Kaisers hatte ihn überzeugen können, den langen Weg zur Rechtfertigung vor Kaiser Karl V., anlässlich des Wormser Reichstages, anzutreten. Dreihundertneunzig Kilometer hatte er mit einer kleinen, zweirädrigen Kutsche zurückgelegt, wobei ihm bei seiner Ankunft am Vortag die Wormser Bürger einen triumphalen Empfang bereitet hatten. Der päpstliche Gesandte war von diesem Empfang wenig begeistert gewesen und sollte dies auch so nach Rom schreiben. Der ›große Ketzermeister‹ habe bei seinem Eintreffen mit ›dämonischen Augen‹ um sich geblickt.
     
    Am nächsten Tag holten zwei kaiserliche Beamte Luther um vier Uhr am Nachmittag in seinem Quartier ab und geleiteten ihn die zweihundert Meter zum Hintereingang des Bischofspalastes, wo der Reichstag nebst Kaiser Karl ihn erwarteten. Selbst hier, auf einem geheimen Nebenpfad, waren sie nicht sicher vor Schaulustigen und mussten sich ihren Weg durch die Menge bahnen. Ein paar Stufen hinauf, ein, zwei, drei Gänge lang, dann standen sie vor der Tür des zum Bersten vollen Auditoriums. Kaiser Karl V., die Deutschen Kurfürsten, Dutzende Bischöfe, Ritter, Fürsten, Grafen, Delegierte der Reichsstädte und Diplomaten aus ganz Europa sahen ihn erwartungsvoll an, als er den Saal betrat. Luther erschien sichtlich nervös. Nur ein Jurist und einige wenige Getreue standen hinter ihm, waren auf seiner Seite. Er ließ seine Blicke schweifen und erkannte unter vielen unbekannten Gesichtern ein bekanntes, das er auch gleich ansprach, um seine Nervosität abzulegen. Sofort wurde er von einem kaiserlichen Beamten gerüffelt, nicht ungefragt zu reden in Gegenwart des Kaisers.
    Der Kaiser war schon da? Das hatte er gar nicht bemerkt in seiner Aufgeregtheit.
    Und dann stand der 37-jährige Martin Luther dem sechzehn Jahre jüngeren Kaiser gegenüber. Der Mönch aus Wittenberg vor dem Beherrscher eines Reiches, in dem die Sonne nicht unterging. Karl sah viel jünger und schmächtiger aus, als Luther erwartet hatte. Das berühmte Habsburgerkinn war das markanteste Merkmal im blassen kaiserlichen Gesicht. In modischen Strumpfhosen saß er auf seinem Thron, musste sich alles übersetzen lassen, da er kein Deutsch sprach, und musterte den Religionsrebellen, der vor ihm stand. Der trug die einfache, schwarze Kutte seines Ordens, gegürtet mit einem Lederriemen. Kräftiges Profil, eine feste Stirn, mächtig gewölbte Augenbrauen und braune Augen, strahlend vor Energie; Augen, die nur ein sehr böswilliger Mensch als ›dämonisch‹ empfinden konnte. Dazu eine Kinn- und Mundpartie, die Entschlossenheit ausdrückte. Ein Gesicht, das von den vielen Kämpfen in den letzten Jahren geprägt war. Ein Gesicht, dem anzusehen war, dass sein Besitzer nicht so ohne Weiteres klein beigeben würde. Der Kaiser murmelte beim Anblick Luthers:
    »Der soll mich nicht zum Ketzer machen.«
    Wenn es nach ihm ginge, würde Luther sofort verhaftet und eingekerkert werden. Aber der Mönch wusste viele Sympathien auf seiner Seite. Kluges, diplomatisches Vorgehen war also gefragt. Am liebsten wäre es Karl gewesen, wenn Luther einfach widerriefe und in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrte. Vergeben, vergessen, Schwamm drüber! Aber er sah ihn an und wusste genau: Das wird nicht leicht heute. Erwartungsvolle Stille.
     
    Luthers Gegner hatten vergeblich gehofft, er werde, abgeschreckt durch das Schicksal von Johannes Hus, nicht auf dem Reichstag erscheinen und sich somit schuldig machen. Aber Luther hatte zugesagt, dass er kommen werde. Später sollte er schreiben: ›Und wenn so viel Teufel in Worms wären, als Ziegeln auf den Dächern, ich wollte doch wohl hineinkommen.‹ Noch während er unterwegs nach Worms gewesen war, hatte der päpstliche Legat ein Verbot seiner Schriften durchgesetzt.
    Luther ahnte nichts davon, als Johann von Eck, der Beauftragte des Bischofs von Trier – nicht zu verwechseln mit Zinks Freund, dem Ingolstädter Theologieprofessor Johannes Eck – auf ihn zutrat und ihm die

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