Der Papstkäufer
erste Frage stellte:
»Martin Luther, die kaiserliche Majestät hat dich aus zwei Gründen hierherkommen lassen. Zuvorderst, um zu erfahren, ob du dich hier öffentlich zu den Büchern bekennst, die bisher unter deinem Namen verbreitet worden sind. Tust du das, sollst du zweitens erklären, ob du ihren Inhalt aufrechterhalten oder etwas davon widerrufen willst.«
Luther schaute die Bücher an, die auf einer Bank aufgestapelt lagen. Er überflog die Titel. Ja, sicher, es waren seine Schriften, in denen er das Ablass-Unwesen kritisiert hatte, zuletzt immer heftiger und polemischer, in denen er die Gültigkeit mehrerer Sakramente und zuletzt sogar die Autorität des Papstes angezweifelt hatte. Der versammelte Reichstag erwartete nun eine Antwort von ihm. Leise begann Luther zu sprechen.
»Die genannten Bücher muss ich als die meinen bezeichnen und werde niemals eines verleugnen.«
Die Angst war in seinem Gesicht deutlich zu erkennen, zur großen Befriedigung nicht nur des päpstlichen Gesandten, der bereits glaubte, Luther werde eingeschüchtert klein beigeben.
Luther war jedoch nicht eingeschüchtert, sondern überrascht. In der Einladung nach Worms war lediglich von ›Erkundigungen‹ über seine Schriften die Rede. Der päpstliche Legat hatte Luther mit dem Verbot seiner Schriften hintergangen und übertölpelt. Auf einen Widerruf war Luther nicht vorbereitet. So holte er aus und begann eine langatmige Erklärung, warum er den Widerruf jetzt nicht leisten könne. Am Ende bat er um Bedenkzeit, ›damit ich, ohne das Gotteswort zu verletzen und meine Seele zu gefährden, die rechte Antwort auf die Frage geben möge.‹
Unruhe im Saal.
Luthers Anhänger waren verwundert.
Warum Bedenkzeit?
Zweifelte Luther an seiner eigenen Sache?
Der Kaiser und seine Berater zogen sich zurück. Nach einer Pause erklärte der Sprecher Karls, Luther habe zwar kein Anrecht auf Bedenkzeit, doch der Kaiser in seiner angeborenen Güte gestehe ihm dennoch eine zu. Als letzte Frist.
Einen Tag hatte Luther gewonnen, allerdings mit der Einschränkung, dass Luthers Erklärungen nur mündlich erfolgen würden. Alles schriftlich niederzulegen, würde zu viel Zeit kosten. Und die hatte Karl V. nicht.
Der Kaiser zog sich zurück. Ebenso die Fürsten, Bischöfe und Diplomaten.
Die Beamten führten Luther wieder in seine Herberge, vorbei an vielen enttäuschten Anhängern. Dieser kleinlaute Auftritt war nicht das, was sie sich vorgestellt hatten. Sollte es das schon gewesen sein mit der Reformation?
Die nächsten vierundzwanzig Stunden dehnten sich, zäh rann die Zeit.
Wieder um vier Uhr am Nachmittag standen die kaiserlichen Beamten vor Luthers Türe.
Es war Zeit. Die Entscheidung nahte.
Pünktlich standen sie vor dem Bischofssitz, konnten aber nicht hinein. Andere Verhandlungen drinnen waren noch in vollem Gange. Luther musste inmitten der Schaulustigen warten, eingelassen zu werden. Er wurde immer nervöser.
Zwei Stunden wartete er, dann durfte er ins Innere.
Es war schon dämmrig im großen Saal der Residenz – das Auditorium wäre heute zu klein gewesen, Fackelschein verbreitete flackerndes Licht.
Es war heiß.
Luther schwitzte.
Er begann zu reden. Seine Stimme klang anders heute. Fester, bestimmter. Er entschuldigte sich, sollte er gegen höfische Sitten und Gebräuche verstoßen haben.
»Ich bin nicht an Höfen, sondern in Mönchswinkeln versiert.«
Und erneut stand Johann von Eck vor ihm, stellte die Frage aber etwas anders als am Vortag:
»Willst du deine Bücher alle verteidigen oder etwas davon widerrufen?«
»Ich habe drei Arten von Büchern geschrieben«, erläuterte Luther.
Zum einen erbauliche Texte über den Glauben, die sogar seine Gegner schätzten.
Zum anderen Schriften »gegen das Papsttum und die Dinge der Papisten als diejenigen, die mit ihren grundschlechten Lehren und Beispielen den christlichen Erdkreis an Geist und Leib verwüsten.«
Außerdem habe er noch Texte verfasst gegen einzelne Personen, die diese römische Tyrannei verteidigten.
Luther sagte, er wolle nicht behaupten, dass er nicht irren könne, aber er müsse verlangen, erst widerlegt zu werden, wenn er widerrufen solle. Keine Hand erhob sich, um mit Luther zu diskutieren. Der kaiserliche Sprecher erteilte ihm eine Abfuhr:
»Vergeblich erwartest du, Martinus, eine Disputation.«
Johann von Eck forderte Luther noch einmal auf:
»Nun gebe er eine schlichte und ungehörnte Antwort.«
Luthers Schlussworte waren endlich das, was
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