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Der Partner

Der Partner

Titel: Der Partner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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den Augen. Ein paar Minuten später fragte ich ihn noch einmal. >Clovis, können Sie schätzen, wie schnell der Wagen gefahren ist, als er Sie überholte?< Er sagte, natürlich würde er der Familie gern helfen.
    Ich sagte, das wüsste sie bestimmt zu würdigen. Und dann schaute er mir direkt in die Augen und sagte: >Was glauben Sie, wie schnell sie gefahren sind?< Ich sagte, dass sie meiner Meinung nach ungefähr fünfundfünfzig Meilen pro Stunde gefahren waren.
    Clovis sagte: >Dann waren es etwa fünfundfünfzig Meilen pro Stunde. Ich bin fünfzig gefahren, und sie haben sich praktisch an mir vorbeigeschoben.<
    Wir gingen vor Gericht, und Clovis Goodman war der beste Zeuge, den ich je gesehen habe. Er war alt, bescheiden, aber weise und völlig glaubwürdig. Die Geschworenen ignorierten all die phantasievollen Unfall-Rekonstruktionen und stützten sich bei ihrem Urteil ausschließlich auf Clovis.
    Sie sprachen uns 2,3 Millionen Dollar zu.
    Wir blieben in Verbindung. Ich setzte ihm ein Testament auf. Er besaß nicht viel, nur das Haus und sechs Morgen Land, siebentausend Dollar auf der Bank. Wenn er starb, sollte alles verkauft werden und der Erlös und das Geld den Daughters of the Confederacy zufließen. Kein einziger Verwandter wurde in seinem Testament erwähnt. Der Enkel in Kalifornien hatte seit zwanzig Jahren nichts von sich hören lassen. Die Enkelin in Hattiesburg hatte sich nicht gemeldet, seit er 1968 eine Einladung zur Feier ihres High-School-Abschlusses erhalten hatte. Er war weder hingefahren, noch hatte er ein Geschenk geschickt. Er erwähnte sie nur selten, aber ich wusste, dass Clovis sich nach einer Verbindung zu seinen Enkelkindern sehnte.
    Er wurde krank und konnte nicht mehr allein leben, also brachte ich ihn in einem Pflegeheim in Wiggins unter. Ich verkaufte sein Haus und seine Farm und erledigte seine sämtlichen finanziellen Angelegenheiten. Damals war ich sein einziger Freund. Ich schickte ihm Karten und Geschenke, und jedesmal, wenn ich nach Hattiesburg oder Jackson fuhr, besuchte ich ihn und leistete ihm Gesellschaft, so lange ich konnte. Mindestens einmal im Monat holte ich ihn ab und fuhr mit ihm in das Fischrestaurant. Anschließend machten wir eine Rundfahrt. Nach ein oder zwei Bier fing er mit seinen Geschichten an. Einmal sind wir zum Angeln gefahren, nur Clovis und ich, acht Stunden lang in einem Boot. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelacht.
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    Im November 1991 bekam er Lungenentzündung und wäre fast daran gestorben. Wir änderten sein Testament ab. Er wollte einen Teil des Geldes seiner Kirche vermachen, den Rest dem, was von der Confederacy noch übrig war. Er suchte sich seinen Platz auf dem Friedhof aus und traf Anordnungen für seine Beisetzung. Ich brachte ihn auf die Idee, eine Verfügung zu treffen, dass er nicht von Maschinen am Leben erhalten werden sollte. Das gefiel ihm, und er bestand darauf, dass ich derjenige sein sollte, der darüber entschied, wann der Stecker herausgezogen wurde, natürlich nach Beratung mit seinen Ärzten. Clovis hatte das Pflegeheim satt, seine Einsamkeit, sein Leben. Er sagte, sein Herz befände sich schon bei Gott und er sei bereit, der Welt Lebewohl zu sagen.
    Anfang Januar 1992 brach die Lungenentzündung abermals aus, diesmal noch heftiger. Ich ließ ihn ins Krankenhaus hier in Biloxi verlegen, damit ich ihn im Auge behalten konnte. Ich besuchte ihn jeden Tag, und ich war der einzige Besucher, den der alte Clovis je hatte. Keine anderen Freunde.
    Keine Verwandten. Kein Geistlicher. Kein Mensch außer mir. Sein Zustand verschlechterte sich allmählich, und es war abzusehen, dass er das Krankenhaus nicht mehr lebend verlassen würde. Er fiel ins Koma. Sie schlössen ihn an ein Beatmungsgerät an, und nach ungefähr einer Woche sagten die Ärzte, er wäre hirntot. Wir, drei Ärzte und ich, lasen seine Verfügung zusammen durch, dann schalteten wir das Beatmungsgerät ab.«
    »An welchem Tag war das?« fragte Sandy.
    »Am 6. Februar 1992.«
    Sandy atmete laut und vernehmlich aus, schloss die Augen und schüttelte langsam den Kopf.
    »Er wollte keinen Gedenkgottesdienst, weil er wusste, dass niemand kommen würde. Wir begruben ihn auf einem Friedhof am Rand von Wiggins. Ich war da, als Sargträger. Drei alte Witwen aus der Gemeinde waren da und weinten, aber man hatte den Eindruck, dass sie in den letzten fünfzig Jahren bei jeder Beerdigung in Wiggins geweint hatten. Der Geistliche war da, und er brachte fünf ältliche Diakone

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