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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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immer von ihr trennte. Und ich blieb, bis man ihrer Schwester die Asche übergab. Ich konnte nichts tun, als still neben dieser Schwester zu sitzen, während wir warteten, und sie dann nach Hause zu fahren.
    Ich hatte nichts unternommen, um Kanta Bai zu retten -dieser Gedanke quälte mich an jenem Tag und in den folgenden Nächten. Ich ermahnte die Jungs, auf ihre Gesundheit zu achten und zum Arzt zu gehen, sobald sie Anzeichen einer Krankheit spürten. Ich organisierte kostenlose Vorsorgeuntersuchungen für meine Controllers, und im Basti leitete ich eine Anti-Malaria-Kampagne in die Wege. Ich ließ die Abflußrinnen reinigen und sorgte dafür, daß Ansammlungen stehenden Wassers beseitigt wurden. Aber letztlich war das alles nur Schau. Ich wußte, daß ich besiegt worden war.
    Damals kamen sie zu mir. Ich möchte, daß Sie das wissen, Sartaj Singh: Ich bin nie selbst zu den Politikern gegangen, sie sind zu mir gekommen. Ich hatte Gopalmath, hatte das gesamte ehemalige Gebiet der Cobra-Gang, die Geschäfte liefen gut, es kam Geld herein, und abgesehen von der Geschichte mit Kanta Bai war ich glücklich und zufrieden. Ich hatte oft mit Kommunalbeamten zu tun, besonders als wir eine regelmäßige Wasserversorgung für Gopalmath einrichteten, aber ich mochte diesen Menschenschlag nicht, das waren geborene Lügner. Auch für Politiker hatte ich nichts übrig, daher hatte ich die MLAs und MPs 427 nie hofiert. Doch eines Tages brachte Paritosh Shah einen von ihnen zu mir. Er sagte: »Bhai, das hier ist Bipin Bhonsle. Er kandidiert für die Parlamentswahl nächste Woche und braucht deine Hilfe.« Bipin Bhonsle war elegant gekleidet - feine blaue Hose, bedrucktes Shirt, dunkle Brille -, ganz anders als diese Typen in schlabbrigen Gandhi-Hemden, die sich ständig im Fernsehen über irgendwelche Nehru-Themen ausließen. Bipin Bhonsle war jung, in meinem Alter, und respektvoll.
    »Namaskar, Ganesh-bhai«, sagte er. »Ich habe viel von Ihnen gehört.«
    »Hat Ihnen dieser fette Kerl von mir erzählt?« fragte ich und wies ihm einen Stuhl an. Dann nahm ich Paritosh Shah bei der Hand und zog ihn neben mich auf das Sofa. Er war in den etlichen Jahren, die ich ihn nun kannte, immer mehr auseinandergegangen - der Paritosh Shah, den ich einst kennengelernt hatte, verschwand unter diesen Fettpolstern allmählich. »Hören Sie nur, wie er keucht. Ich mache mir Sorgen um sein Herz.« Und wirklich, von den zwei Treppen zu mir hoch atmete er schwer.
    Paritosh Shah tätschelte meinen Arm. »Ich nehme ayurvedische Medizin, Bhai. Kein Grund zur Sorge.«
    Er hatte mir von seinem neuen ayurvedischen Arzt erzählt, der in seiner klimatisierten Praxis fünf Computer stehen hatte. »Du solltest lieber jeden Tag ein paar Kilometer laufen«, sagte ich. Er bewegte ein paarmal flott die angewinkelten Arme, wie beim Joggen, und sah dabei so ulkig aus mit seinen wippenden Brüsten und seinem schwabbelnden Bauch, daß ich losprustete und er auch. Doch Bipin Bhonsle lächelte bloß verhalten. Das gefiel mir. Er hatte Manieren. Unterdessen brachte uns ein Junge Tee und Plätzchen. Wir tranken und unterhielten uns. Schwer würde es nicht sein, dachte ich. Bipin Bhonsle war der Rakshak-Kandidat für den Wahlkreis Morawada, der im Norden an Gopalmath grenzte. Die Wählerschaft dort bestand zu mehr als der Hälfte aus Marathen, Leuten, die schon lange vor dem Bau-Boom dort gelebt hatten, bevor die Bauunternehmer angefangen hatten, die noblen Kolonien in den Vorstädten hochzuziehen. Der Stimmen dieser Marathen, der Büroangestellten und mittleren Verwaltungsbeamten wie auch der verstreuten Grüppchen von Gurajatis und Marvaris, Ladeninhabern oder Händlern, war sich Bipin Bhonsle sicher. Das Problem seien die anderen, die Kongreß-Wähler und eingefleischten NCPler 452 , die in der Narayan Housing Colony und der Gegend um die Satyasagara Estates sowie in den Bastis Gandhinagar und Lalghar wohnten. Die Rakshaks hätten in Morwada noch nie eine Wahl gewonnen, und zwar hauptsächlich wegen dieser Mistkerle, die alles mögliche seien, Seths, Akademiker, Flugpersonal, Rentner; am meisten jedoch ärgerte sich Bipin Bhonsle über die armen Chutiyas, die in den Hütten von Lalghar lebten.
    »Bhenchod Landyas 367 «, sagte er. »Von denen kriegen wir natürlich keine einzige Stimme. Wenn man denen freundschaftlich die Hand reicht, wenden sie sich ab.« Lalghar war ein islamisches Basti, es war klar, daß dort niemand die Rakshaks wählte. Wählerstimmen aus einer

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