Der Pate von Bombay
die Männer alle in einem Kampf ohne Munition, ohne Unterstützung und ohne Hoffnung gefallen. Captain Khandari säuft jeden Abend, trinkt gewaltige Mengen des Armee-Rums, und er spielt jeden Abend mit den beiden Leutnants - Rastogi und DaCunha - in seiner Hütte Teen-patti. K. D. gesellt sich zu ihnen, beteiligt sich zwar nicht an ihrem Glücksspiel, ihrem wilden Kartenhinknallen, doch beim Trinken ist er dabei. Der Rum vertreibt das schreckliche Gefühl der Isolation, diese trostlose Empfindung, durch die Berge und undurchdringliche Dunkelheit von allem abgeschnitten zu sein. Es ist behaglich, angesäuselt in der Hütte am Feuer zu sitzen und sich Geschichten zu erzählen. Nach vier Nächten kennt K. D. seine neuen Freunde, seine Kumpel, weiß von DaCunhas hoffnungloser Liebe zu Sadhana und ihrem prächtigen Technicolor-Hintern, weiß von Rastogis Begeisterung für abstruse mathematische Fakten, Rätsel und Tricks und hat - zu weit fortgeschrittener Stunde - Khandari mit schwerer Zunge und kaum noch verständlich von schreckenserfüllten Rückzügen über karge Hochplateaus erzählen hören. Wenn K. D. sich schließlich wankend auf den Weg zu seiner eigenen, schrankartigen Hütte macht, sieht er auf dem Exerzierplatz die erlöschende Glut von Lagerfeuern, die schattenhaften Umrisse ordentlich aufgereihter Zelte. Und hinter ihnen das absolute Schwarz immenser Felswände unter einem kalten, sternengespickten Himmel.
Am fünften Nachmittag fühlt sich K. D. von der Anstrengung des langen Marsches hinlänglich erholt, um zum Kommandozelt zu gehen und sich der Unausführbarkeit seiner Aufgabe zu stellen. Er ist in erster Linie beauftragt, die chinesische Präsenz in dieser Gegend auszukundschaften, ein Netzwerk von Informanten und einen Fundus von Informationen zu erstellen, zu überprüfen, ob sich die Chinesen tatsächlich zurückgezogen haben und keine weiteren Einfälle durchführen, sowie die künftigen Absichten der Chinesen und überhaupt aller in dieser empfindlichen Grenzregion irgend Anwesenden zu ergründen. K. D. weiß nichts über die Chinesen, kennt weder ihre Sprache noch ihre Geschichte oder Politik, und genauso fehlt es ihm an Wissen oder Erfahrung hinsichtlich dieser Gegend, ihrer Menschen, ihrer Geographie. Er ist ziemlich ratlos, doch er macht sich auf den Weg zu Captain Khandari. Der Captain wird ihm bestimmt sagen können, wo er ansetzen sollte. Aber der Captain hat einen üblen Kater und ist mürrisch, und K. D. bekommt schließlich aus ihm heraus, daß nur eine Patrouille pro Woche ausgesandt wird, die immer dieselben vier Kilometer in nordöstlicher Richtung bis zu einem Bunker auf einer Anhöhe geht. Das ist alles, was diese Einheit tut, um hier in der Gegend Präsenz zu zeigen und Informationen zu sammeln. Der Schock malt sich so deutlich auf K. D.s Gesicht, daß Captain Khandari mit den Achseln zuckt und sagt: »Da draußen ist keiner, wissen Sie. Keine Menschenseele. Die Chinesen sind weg. Da herrscht gähnende Leere.« K. D. bleibt stumm. Er versucht, all seinen Mut zusammenzunehmen, um etwas zu sagen. Schließlich neigt Khandari den Kopf und bricht das Schweigen. »Und?« fragt er. »Was wollen Sie jetzt machen?«
Drei Tage später verlassen zwei Patrouillen das Lager, mit Marschrouten, die K. D. auf Meßtischblättern selbst ausgearbeitet hat. K. D. bekommt jetzt die Feindseligkeit von Männern zu spüren, die aus ihrer Bequemlichkeit gerissen wurden, und um ihn ist Schweigen. Selbst Marak - sein Freund, der Subedar - hat nur mehr ein einsilbiges Grunzen für ihn übrig. K. D. findet eine tote Ratte unter seinem Bett. Rastogi und DaCunha kommen früher als erwartet mit ihren Patrouillen zurück, Rastogi ganze drei von sieben vorgesehenen Tagen. Natürlich berichten sie, daß sie nichts gesehen haben, absolut nichts, und K. D. ist sich sicher, daß sie hinter dem nächsten Grat ihr Lager aufgeschlagen und sich ein paar erholsame Tage gegönnt haben. In der folgenden Woche stellt er eine weitere Patrouille für DaCunha und Marak und einen Zug zusammen und geht selbst mit. Während der ersten ein, zwei Kilometer spürt er ein Stechen in den Füßen, aber er hat jetzt gute Stiefel, und nachdem sich seine Muskeln entspannt haben, genießt er die Anstrengung. Er hat abgenommen und fühlt sich stark. Es macht ihm Spaß, seine neu erworbenen Kenntnisse im Kartenlesen einzusetzen, und bei jedem Halt inspiziert er durchs Fernglas die fernen Bergrücken. Die Männer beobachten das mit einiger
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