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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Plötzlich erfüllt ihn pochende Wut, Wut über die Gewalt, die ihm angetan wird. Ich habe mein Bestes getan. Ich habe getan, was von mir verlangt wurde. Die zornige Anspannung seiner Sehnen wird zum Krampf, und einen Moment lang zuckt er heftig, hat einen dröhnenden Pulsschlag gleich dem Trommeln eines Mishmi-Priesters 421 im Ohr. Er kämpft sich durch das Dunkel, das ihn zu überwältigen droht. Ich bin klar. Ich kann mich an mein Leben erinnern, seine Geschichten zurückverfolgen. Ich habe mein Handwerk in der NEFA gelernt, habe ein geheimdienstliches Netzwerk aufgebaut, wo vorher keines war, indem ich Informanten gewonnen, Zellen und Kanäle erschlossen habe. Ich habe das besser gemacht als irgendein anderer Kollege, egal wo, ich habe härter, riskanter und aufrichtiger gearbeitet als sie alle, weil ich ein Yadav war und sie anderes von mir erwarteten, zumindest einige von ihnen. Sie waren Brahmanen und hatten klare Meinungen zu OBCs. Darüber habe ich nie mit jemandem geredet, nicht einmal mit Bloody Mathur. Ich habe einfach gearbeitet. Nach der NEFA kamen die Reisfelder von Naxalbari, wo ich als Händler gereist bin und die Mörder von Polizisten, Richtern und Steuereintreibern aushorchte, die verblendeten Jungs verfolgte, die ihr bequemes Mittelschichtzuhause in Kalkutta verlassen hatten, um im Norden eine Revolution zu machen. Einen von ihnen habe ich sogar getötet, diesen Möchtegern-Maoisten, der versuchte, mich umzubringen. Ich erinnere mich noch an seinen Namen, Chunder Gosh, und an das Blut, das ihm aus den Ohren spritzte, als ich ihm in die Stirn geschossen hatte. Ich entsinne mich genau unserer Aktionen gegen die kommunistischen Parteien in Kerala, unser Vorgehen gegen ihren Wahlkampf, ihre Ausbreitung, ihre Machenschaften, ja gegen ihre komplette Infrastruktur. Das haben wir für Nehrus Tochter getan, völlig illegal, aber gern, denn wir wußten, woher diese Parteien ihre Ideologie und Ausrichtung bezogen, und wir standen an vorderster Front und drängten die von Peking und Moskau gesteuerten Horden zurück. Und dann war ich in Ost-Pakistan und befragte die bengalischen Soldaten, die ihren Herren aus dem Punjab entflohen waren. Aufgrund der von mir gesammelten Informationen sind ganze Flugplätze durch präzise abgeworfene Bomben in Schutt und Asche gelegt worden. Nach Bangladesh dann wieder Delhi, das Lavieren mit ausländischen Diplomaten, die Mittagessen mit Botschaftsangestellten, der langsame Aufbau von Beziehungen, die schließlich schubweise verwertbare Erkenntnisse lieferten. Dann London, Punjab, Bombay. Mein Leben, diesem Kampf gewidmet, diesem langen, permanenten Krieg mit seinen verborgenen und ungesungenen Siegen. Ich habe die Arbeit getan. Ich erinnere mich an jede Zahlung, jede Quelle, jeden Angriff des Dushman. Ich habe dieses Indien verteidigt.
    K. D. schnappt im Dunkeln nach Luft. Er hat nie geheiratet. »K. D. ist mit seinem Beruf verheiratet«, sagten seine Kollegen immer. Die meisten waren verheiratet und hatten Familie, Kinder und Enkel. Er war und ist allein. Er hat Frauen gehabt, ehrbare und verrufene. Er hat geliebt, hat für Sex bezahlt, ist von seinen Freunden mit eindeutigem Ziel Verwandten vorgestellt worden. Er sieht ein, daß die Ehe etwas Gutes ist, und erkennt ihre unbestreitbaren Vorzüge. »Wofür arbeiten wir denn sonst?« sagte Bloody Mathur einmal aufgebracht und besorgt zugleich. »Wofür das alles, wenn nicht für unsere Kinder und deren Zukunft?« K. D. konnte darauf nichts erwidern, hatte der dickbäuchigen Zufriedenheit seines Freundes, dessen Frau, die sanft murmelnd der Köchin Anweisungen erteilte, der fünfjährigen Tochter Anjali, die sich auf dem Teppich über ein Märchenbuch beugte, nichts entgegenzusetzen. Trotzdem ist er nicht in der Lage, einen der Heiratsanträge, die sein Freund ihm vermittelt, mit einem Ja zu beantworten oder auch nur eine zufriedenstellende Erklärung oder erhellende Beschreibung dessen zu liefern, was er eigentlich will. »Was willst du bloß?« fragt Mathur. »Was, was, was? Wer ist diese Heldin, auf die du wartest?« Doch K. D. ist nicht in der Lage, die Frau zu benennen, sie mit einer Liste von zehn Eigenschaften zu charakterisieren, Worte für seine aus dem tiefsten Innern kommende unausgegorene Verweigerung zu finden.
    K. D. liegt im Krankenhausbett und fragt sich, worauf er gewartet hat. Jetzt ist es zu spät, er wird allein sterben. Auch sein Vater hat immer davon gesprochen, wie tröstlich es sei, mit einem Menschen

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