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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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jetzt, daß die Polizisten, die auf uns geschossen hatten, keine Polizisten, sondern Suleiman Isas Männer gewesen waren, daß sie die Uniformen bei Maganlal Dress-vaala gekauft hatten und der Transporter - das behauptete zumindest die Polizei vom Hauptquartier des dreizehnten Bezirks - gestohlen war. Wir wußten verläßlich, daß das Supari für dieses Selbstmordkommando zwei Crores betragen hatte, also fünfzig Lakhs pro Nase. Nur daß zwei von diesen elenden Maderchods, die bei mir aufgekreuzt waren, ihren Anteil nicht mehr kassierten, der eine starb in meinem Hof, der andere hustete den Transporter voll Blut und starb noch am selben Tag. Trotzdem hatten meine Feinde ihr Ziel fast erreicht. Zwar konnten sie nicht behaupten, daß sie Ganesh Gaitonde in seinem eigenen Basti, seinem eigenen Haus getötet hatten, aber sie hatten mir auf meinem eigenen Grund und Boden einen schweren Schlag versetzt, ich war vor ihnen geflüchtet, ein Feigling mit einer Wunde am Gaand. Sie schämten sich, gegen das ungeschriebene Gesetz der Companys verstoßen zu haben, dem zufolge Familienmitglieder nicht zu Schaden kommen durften, doch das ließ sich als Unfall hinstellen.
    Ich lebte noch. Das war das entscheidende. Egal, was geredet wurde, ich lebte noch. Und letztlich ist das überhaupt das entscheidende. Ehre und Stolz sind die Träume, die Männer antreiben und für die sie zu sterben bereit sind, doch meine Jungs begriffen, daß es auch für sie besser war, daß ich überlebt hatte. Ich war noch da, um Pläne schmieden, Rache üben, das Blatt wenden zu können. Und ich mußte weiterhin am Leben bleiben. Also ging ich wieder ins Gefängnis zurück. Es war leicht zu bewerkstelligen. Ich fuhr mit ein paar Jungs im Auto nach Mulund. Wir hielten an der Kontrollstelle von Mulund, und meine Jungs fingen Streit mit den Polizisten dort an. Ich stieg ebenfalls aus und brüllte herum, und die Jungs nannten mich mehrmals unüberhörbar »Ganesh-bhai«, damit die dämlichen Mamus auch garantiert merkten, wer ich war. Dann stiegen wir alle wieder ein und fuhren weit über die Stadtgrenze hinaus.
    Ich hatte also gegen die Bedingungen meiner Haftverschonung verstoßen und mußte wieder an meinen einzigen sicheren Zufluchtsort zurückgebracht werden. In dieser Stadt verbarg sich hinter jeder Tür ein Mörder, und jeder Tag war ein Kampf. Ich war zu stark geworden, sie konnten mich nicht mehr am Leben lassen. Und so wurde das Gefängnis zu meiner uneinnehmbaren Burg, wo mir die Mauern, die Regeln und Vorschriften ein Zuhause schufen, die Gefängniswärter mich beschützen mußten und ich ungehindert meine Geschäfte führen konnte.
    Ich fand mich wieder in den wohlbekannten Tagesablauf ein. Es gab eine Reihe neuer Gesichter in der Baracke, aber wie gehabt, gruppierten die Männer gemäß ihrem Dienstalter ihre Daris um meinen. Dennoch fühlte ich mich allein, so allein. Meine Jungs waren meine Familie, und sie waren gut zu mir, nahmen Rücksicht, kümmerten sich um mich. Im Herzen jedoch blieb ich allein. So viele Menschen waren gestorben, nicht nur bei diesem letzten Angriff, sondern auf meinem ganzen Weg, bei all den Kämpfen. Und ich war noch am Leben. Warum? Wofür? Ich wartete auf eine Antwort. Morgens übte ich Yoga, nachmittags Pranayama 495 . Doch meine hart erarbeitete Ruhe wurde mir durch Abhis Gelächter genommen, das ich im nachmittäglichen Sonnenschein perlen hörte. Nachts legte ich mich begierig auf mein Kissen, da ich wußte, daß er im Schlaf zu mir kommen würde, doch gerade mein Warten hielt den Schlaf fern.
    »Es ist so ein komisches Gefühl«, erzählte ich Jojo spätabends am Telefon. »Ich fühle mich wie ein verirrtes Gespenst. Als würde irgendwo ein Projektor vor sich hin rattern und ich mich auf einer Leinwand zu der Geschichte eines anderen Menschen bewegen.«
    »Das geht vorbei, Gaitonde«, sagte sie. »Schmerz vergeht. Irgendwann vergeht er immer.«
    Sie klang ganz nah, als läge sie im Nachbarbett. Sie hatte sich auf meine Veranlassung hin ein neues Mobiltelefon gekauft, ich hatte ebenfalls ein neues, und wir benutzten diese beiden Handys nur für unsere Gespräche. Fürs Geschäftliche benutzte ich andere Telefone. Ich wußte, daß meine Feinde nicht vorgehabt hatten, meine Familie umzubringen, und trotzdem hatte ich Angst um Jojo. Ich sagte ihr, daß wir unsere Verbindung noch besser geheimhalten müßten, daß es schlecht für ihr Image in der Medienindustrie wäre, wenn allgemein bekannt würde, daß wir

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