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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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lehnte den Kopf zurück, das Glas in der Hand, und ließ all die Fetzen und Fragmente von Informationen in seinem Kopf und Körper zirkulieren. Er konnte nichts erzwingen, keine Antwort ertrotzen. Wenn er gelassen genug war, wenn er furchtlos war, wenn er Kopf und Herz und Bauch einsetzte, würde sich eine Gestalt herausbilden. Er mußte nur geduldig sein.

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    Ganesh Gaitonde
erforscht sein Selbst

    A uf der Yacht schauten wir uns eine Menge Filme an, Hunderte von Videos, Laserdiscs und DVDs. Das Schiff, 130 Fuß lang (ich mußte erst lernen, es als Yacht zu bezeichnen), hatte drei Decks und einen geräumigen Salon, in dem ich einen riesigen Fernseher aufstellte sowie mehrere Filmabspielgeräte und einen Receiver. Nicht, daß wir nicht auch gearbeitet hätten: Ich stand jeden Morgen um sechs auf, machte meine Yogaübungen und hielt meine Puja ab, und spätestens um halb acht saß ich beim Frühstück und nahm meine Anrufe entgegen. Meine Company aus der Ferne zu führen war ein schwieriger Lernprozeß - ich mußte loslassen, mußte aufhören, mir über Details den Kopf zu zerbrechen und den Männern zu sagen, wie sie ihre Arbeit zu tun hatten, mußte Verantwortung abgeben. Ich fühlte mich wie ein Gott, der fern von der Welt ist und sie zugleich von oben lenkt. Zwischen halb elf und elf hatte ich die dringenden Angelegenheiten für gewöhnlich erledigt, um die Zeit etwa meldete sich dann Bunty aus Bombay mit den neuesten Informationen über die eingetriebenen Gelder und Gesamteinnahmen des vorangegangenen Tages. Um zwölf nahm ich mit den Jungs ein leichtes Mittagessen ein und legte mich anschließend für eine halbe Stunde hin. Ab und zu, wenn wir nah genug bei der Küste waren, ließ ich mich von einem Mädchen aus meinem Mittagsschlaf wecken, einer Indonesierin oder Chinesin oder Thailänderin. Doch um zwei war ich in jedem Fall wieder auf, und der restliche Tag erstreckte sich vor mir.
    Also schauten wir uns Filme an: Hum Apke Kaun, Dilwale Dulhaniya Le Jayenge und zum wiederholten Male Sholay, Dil To Pagal Hai, Hero 269 No. 1 und Auzaar. Auch Mother India, Anarkali und Sujata sowie unzählige andere, von denen ich noch nie gehört hatte, Bahu Begum, Anjaam, Halaku. Ich sah mir auch gern englischsprachige Filme an, nicht nur die Sex-&-Crime-Streifen, die meine Jungs mochten, sondern auch dialoglastigere Filme, mit denen ich mein Englisch verbessern wollte. Doch dabei langweilten sich meine Jungs immer, diese Bauerntrampel. Sie wurden unruhig und bettelten darum, wieder zu einem dieser maderchod Schrottfilme überzuwechseln - vorwiegend indische, aber auch punjabische oder tamilische -, in denen Raveena Tandon wie eine wild gewordene Maschine ihr Becken vorstößt und die Hüfte schwingt. Einer meiner Jungs, Mukund, der Tamile war, übersetzte Nayakan für uns, und tatsächlich war die tamilische Version des Films mit Kamalahasan deutlich besser. Es war seltsam, Bombay durch tamilische Augen zu sehen, aber der Film hatte Dum, er war authentisch. Wir schauten uns Varadarajans Lebensgeschichte in völligem Schweigen an, seine frühen Tage im Slum, seinen Aufstieg zu Macht und Ruhm. Als sein Sohn umgebracht wurde und dieser erstickte Schrei aus Kamalahasans Kehle aufstieg, spürten wir den Schmerz wie unseren eigenen. Auch wir hatten geliebte Menschen verloren. Mir liefen die Tränen über die Wangen - uns allen.
    Am nächsten Tag trug ich Bunty auf, Kamalahasan und Mani Ratnam Blumen zu schicken, ohne Absender, nur mit einer Karte, auf der stand: »Von einem Nayakan- Fan.« Und als Jojo mich am Abend anrief, erzählte ich ihr, wie sehr den Jungs und mir der Film gefallen hatte.
    Sie brach in schallendes Gelächter aus. »Da saß ein ganzer Haufen von euch toughen Bhais herum und hat geflennt?«
    »Kutti 357 , das war eine großartige schauspielerische Leistung und eine großartige Geschichte!«
    »Bei dieser letzten Szene, der Beerdigung von Nayakan, da hast du bestimmt geheult.«
    »Es waren Tausende von Leuten auf dieser Beerdigung. Natürlich habe ich geheult. Es war sehr bewegend.«
    Sie prustete wieder los. Schließlich riß sie sich zusammen. »Oje, ihr Männer seid ja dermaßen sentimental. Keine Sorge, zu deiner Beerdigung werden auch Tausende kommen.«
    »Randi, mach dir mal keine Gedanken um meine Beerdigung. "Wann und wie sie auch stattfinden wird, Parmatma 480 hat das alles bereits festgeschrieben. Es ist schon passiert, wir erliegen lediglich der Illusion der Zeit. Er hat seinen Plan. Wir sind nur

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