Der Pate von Bombay
Schauspieler in seinem Stück.«
»Aha, Schauspieler in seinem Stück.«
»Ja. Wir tanzen gemäß den Vorgaben seines Lila. Die Geburt, das Leben, der Tod, das alles hat eine Gestalt, selbst wenn wir sie nicht sehen können.«
»Was bist du heute für ein Philosoph, Ganesh Gaitonde. Du hast dich verändert, du redest dauernd über Schicksal und Karma 318 und lauter solchen Scheiß. Was ist bloß in dich gefahren?«
»Nichts, ich habe nur angefangen, der Wahrheit des Universums ein wenig näherzukommen.« Niemand außer Bunty wußte von meinen Gesprächen mit Guru-ji. Ich mußte all diese verschiedenen Bereiche meines Lebens voneinander getrennt halten: Jojo von Guru-ji, Guru-ji von Mr. Kumar und ein Stück meiner selbst von allem anderen.
»Chutiya, du bist einer dieser superfrommen Hindus geworden.« Sie machte ein Geräusch, als spuckte sie etwas Widerwärtiges aus.
»Jojo, auch du solltest dir über diese Fragen Gedanken machen. Geh in deine Kirche, vielleicht findest du dort Frieden.«
»Jetzt redest du wie meine Mutter, Gaitonde. In was für wirren Zeiten wir doch leben.«
»Genau. Deshalb ist auch die spirituelle Suche ...«
»Are, Maderchod, du willst, daß ich in die Kirche gehe, damit mir irgendein stinkender Priester in den Kopf schauen und mir sagen kann, daß ich eine böse Frau bin, und mich bestraft? Und was wird sein Gott, oder deiner, mir geben? Frieden? Ich will keinen Frieden. Ich will eine Wohnung, ich will, daß mein Geschäft floriert. Frieden! Warum gibst du nicht den Mädchen, die du jeden Nachmittag vögelst, ein bißchen Frieden, mein spiritueller Lehrmeister?« Sie wälzte sich lachend auf ihrem Bett herum. Dann fragte sie abrupt: »Hältst du denen auch spirituelle Vorträge?«
Ich mußte lächeln. »Are, nein.«
»Sag mir die Wahrheit, Gaitonde.«
»Saali, wie soll ich ihnen denn Vorträge halten, wenn sie gar kein Hindi sprechen?«
»Und dein toota-phoota Englisch verstehen sie nicht.«
»Mein Englisch wird täglich besser.«
»Weich nicht aus, Gaitonde. Hast du versucht, mit ihnen über den Weg zur - wie nennt ihr das ... Mokha? - zu reden?«
»Moksha.« 426
»Und?«
»Nein.«
»Komm schon, Gaitonde. Sag mir die Wahrheit. Das hast du immer getan, auch wenn du alle anderen anlügst.«
Ich schwieg. Sie hatte recht, ihr erzählte ich immer wieder von meinen Ängsten und Sorgen, Dinge, die ich niemandem sonst verriet.
»Gaitonde.«
»Also gut. Ein einziges Mal.«
»Ich sehe schon die Schlagzeile im Mid-Day von morgen: »Internationaler Mafiaboß bekehrt die Huren dieser Welt!‹« Gute fünf Minuten lang war sie außerstande, noch einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. Endlich hatte sie sich wieder gefaßt: »Siehst du, ich hab's dir doch gesagt, irgendwas ist in dich gefahren.«
»Das war nur, weil ... Hör zu, da war so eine Thailänderin, die hatte eine kleine Buddha-Figur in ihrer Handtasche. Also habe ich versucht, mit ihr über das Nirwana zu reden. Sie hat nur das Wort Nirwana verstanden, sonst nichts.«
Sie hatte schon so viel gelacht, daß sie jetzt nur noch schwach kichern konnte. »Ich kenne dich besser als sonst jemand auf dieser Welt. Das mußt du zugeben.«
»Ich gebe es zu, Yaar.« Ich lächelte. Wenn Jojo gute Laune hatte, konnte sie mich heiter und fröhlich stimmen wie sonst niemand. »Wenn du mich so gut kennst, dann komm und lern mich noch besser kennen. Mach ein paar Tage Urlaub auf der Yacht.«
»Fang nicht wieder damit an, Gaitonde. Du läßt mich doch nur deshalb so viel über dich wissen, weil ich dich nicht an mich heranlasse.«
»Jojo, ich werde dich nicht anrühren. Darauf gebe ich dir mein Wort. Kasam 319 .«
»Ums Anfassen geht es nicht, Gaitonde. Du weißt genau, daß bei einem Treffen zwischen uns der Gedanke, uns anzufassen, in der Luft liegen würde. Und zwar durchaus auch von meiner Seite. Das würde unsere Freundschaft ruinieren. Glaub mir.«
»Können denn Männer und Frauen nicht ans Anfassen denken und trotzdem Freunde bleiben?«
»Manche Männer und Frauen auf irgendeinem anderen Kontinent vielleicht schon. Aber nicht du und ich.«
»Haramzadi 263 , das ist nicht wahr.«
»Natürlich ist es wahr, und das weißt du auch.« Sie lächelte ebenfalls, das spürte ich. »Das ist von deinem Parmatma festgeschrieben. Es ist Teil seines Plans.«
»Und du bist mein täglicher Kopfschmerz. Ich weiß wirklich nicht, warum ich mich mit dir abgebe.« Aber ich grinste, während ich das sagte, und das wiederum bemerkte
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