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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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eigenen Beitrag, dem eine Podiumsdiskussion mit zwei Reportern und einem Professor folgte. Sie diskutierten über die möglichen Folgen des Mordes und zählten die in Frage kommenden Täter auf: rivalisierende militante Organisationen in Pakistan, afghanische revolutionäre Zellen, diverse Geheimdienste, die Israelis, die Inder, die Amerikaner. Man kam zu dem Schluß, daß es wahrscheinlich die Israelis gewesen waren.
    Der Termin für den London-Besuch des Mullahs war vorverlegt worden, und Mr. Kumar hatte den ersten Besuchstag als Termin für die Operation bestimmt. »Wenn möglich, schlagt zu, bevor er sich in den Medien äußern kann«, hatte er gesagt. Und das taten wir. Trotz der Eile leisteten wir saubere Arbeit. Leicht war es allerdings nicht. Der Mullah wurde durch doppelte Sicherheitsmaßnahmen geschützt, von seinen eigenen Leuten und von der britischen Polizei. Wir durften keine große Bombe einsetzen, in der Hauptstadt eines befreundeten Landes sollte es keine zivilen Opfer geben. Also verwendeten wir eine kleine. Sein Hotelzimmer war durchgecheckt worden und das Auto, das er benutzen würde, ebenfalls. Das volle Programm. Mr. Kumar wußte schon lange im voraus, in welchem kleinen, aber exklusiven Hotel der Mullah absteigen würde und daß es in diesem Hotel nur zwei Suiten gab, im obersten Stockwerk. In den detaillierten Hintergrundinformationen, die Mr. Kumar uns hatte zukommen lassen, wurde besonders hervorgehoben, daß der Mullah früher Elektroingenieur gewesen war und daß er immer mit einem Laptop reiste, damit er überall auf der Welt Zeitung lesen und - vermutlich - verschlüsselte E-Mails an seine Leute schicken konnte. Laut unseren Informationen tat er das am liebsten abends im Bett, Pistazien knabbernd. Deshalb hatten wir in beiden Suiten die Steckdosen neben dem Bett manipuliert. Die Sicherheitsteams suchten die Suite nach Wanzen und Bomben ab, aber die Steckdosen gingen durch. An seinem ersten Abend im Hotel schloß der Mullah seinen Laptop an, woraufhin Kabel und Gerät sofort durchschmorten. Er fluchte und tobte und befahl seinen Leuten, an der Rezeption anzurufen. Die Frau an der Rezeption entschuldigte sich und bot an, ihm das Business Center im Erdgeschoß aufzuschließen, damit er dort ins Internet gehen konnte. Der Mullah schimpfte noch etwas herum, griff nach seiner Schale Pistazien und ging hinunter ins Business Center. Seine Sicherheitsleute checkten den Raum durch, doch der Mullah stand wutschnaubend vor der Tür und machte ihnen Druck. Der Computer war bereits hochgefahren, und der Mullah wollte unbedingt ins Netz. Er war ungeduldig. Er ging hinein und setzte sich an den Rechner. Zehn Minuten lang sah er seine Zeitungen durch und verteilte Pistazienschalen auf dem Boden. Dann führte ein Europäer, der in der Lobby saß, ein kurzes Telefonat mit einem Handy. Woraufhin ein anderer Mann, ein Inder, der in einem vor dem Hotel geparkten Wagen saß, auf einen Knopf drückte. Und dann explodierte unter den Händen des Mullahs die Tastatur, beide Arme wurden ihm unterhalb des Ellbogens abgerissen, und kleine Plastiktasten mit englischen Buchstaben bohrten sich in sein Gehirn.
    Unsere Operation war so brillant wie elegant, das fand selbst Mr. Kumar. »Kein Mensch wird glauben, daß das Inder waren«, sagte er.
    »Wieso, halten die meine Jungs für zu blöd, um so was durchziehen? Meinen die, wir wären zu dehati 155 , um mit Computern umgehen zu können?«
    »Nicht nur Sie, Ganesh, wir«, sagte Mr. Kumar. »Die ganze Welt, unsere eigene ausgesprochen freie Presse eingeschlossen, wird es für unmöglich halten, daß wir das waren.«
    »Saab, ich kann eindeutige Beweise ...«
    »Lassen Sie mal, Ganesh«, sagte Mr. Kumar. »Die sollen ruhig denken, daß das die mächtigen Israelis waren. Die sollen uns ruhig unterschätzen. Ein verwirrter Feind ist besser als ein beeindruckter, aber vorsichtiger Feind. Lassen Sie mal. Ich habe Ihnen ja gesagt, wir sind die unsichtbaren Soldaten, wir kriegen keine Orden.«
    Und so beließen wir es dabei. Es war frustrierend, für solch einen großen Sieg keine Anerkennung zu erhalten, aber ich akzeptierte Mr. Kumars Standpunkt. Er hatte sein Leben lang auf Anerkennung verzichtet, uns allerdings fiel das nicht so leicht. Ich zahlte allen, die an der Operation beteiligt gewesen waren, eine dreifache Zulage und schickte sie nach Bali in Urlaub. Und natürlich verkniff ich es mir, Guru-ji, der die Umstände des Anschlags faszinierend fand, von der Operation zu

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