Der Pate von Bombay
bringen. Einer von unseren Jungs hat Sie gesehen und es mir gesagt, das ist alles.«
Sartaj war inzwischen auf der Straße angelangt. Er drehte sich schnell um, sah aber nur die üblichen Passanten, niemanden, der wie ein Außendienstmann aussah. »Sie haben Ihre Leute wirklich überall.«
»Wir haben viele Angestellte, das stimmt, Saab. Wir sind in Fort, das wissen Sie ja, gar nicht weit weg. Kommen Sie vorbei, und essen Sie mit uns.«
»Wieso?«
»Wieso? Weil mir Ihr Wohl am Herzen liegt und Ihnen hoffentlich auch meins.«
»Wieso wollen Sie mich plötzlich sehen?«
Iffat-bibi atmete geräuschvoll aus. Mit einemmal war sie nicht mehr die freundliche alte Dame. »Ich habe Ihnen ein großes Angebot zu machen«, sagte sie mit einer Stimme, so glatt und hart wie Stein. »Und das würde ich lieber unter vier Augen tun.«
»Ich bin nicht interessiert.«
»Hören Sie sich's doch erst mal an.«
»Nein.«
»Warum nicht? Wir haben doch schon mal zusammengearbeitet.«
»Bei kleinen Dingen, und ich bin ein kleiner Mann. Ich hab nicht das Format für große Angebote.«
»Und Sie wollen klein bleiben? Befriedigt Sie das?«
»Ich bin glücklich.«
Ihr Lachen klang unverhohlen spöttisch. »Das Glück eines Feiglings. Wie lange wollen Sie noch Botengänge für Parulkar erledigen? Der Mann macht Crores, und Sie, was machen Sie? Ihre Beförderung ist überfällig, aber er unterstützt sie nicht. Er ist nicht Ihr Freund, Sartaj-saab.«
»Ich will nichts über ihn hören.« Sartajs Hand zitterte, und er mußte sich anstrengen, um nicht laut zu werden. »Ich will nichts über ihn hören, verstanden?«
»Sie sind ziemlich loyal ihm gegenüber.« Sartaj wartete ab. Plötzlich konnte er sich vorstellen, daß die alte Kutiya führendes Mitglied einer Company war, daß sie Mörder und Erpresser ausschickte. »Aber er ist nicht loyal Ihnen gegenüber. Er war's nicht mal Ihrem Vater gegenüber ...«
»Halten Sie den Mund, Bhenchod!« Sartaj legte abrupt auf. Er ging mit großen Schritten die Straße hinunter, bis er merkte, daß er bereits an dem Gypsy vorbei war. Er kehrte um, hievte sich auf den Fahrersitz, umfaßte das Lenkrad und versuchte sich zu beruhigen. Es gab keinen Grund, wütend zu werden. Diese Randi wollte ihn nur manipulieren. Und es war ihr beinahe gelungen. Ruhig, ganz ruhig.
Endlich ließ Sartaj den Motor an und fädelte sich in den Verkehr ein. Jetzt konnte er wieder klar denken. Die Frage war: Warum sagte Iffat-bibi so etwas über Parulkar, und warum ausgerechnet ihm? Wann und warum hatte Parulkar ihr und ihrer Company übel mitgespielt? Es stimmte vermutlich, daß er der derzeitigen Regierung nahestand, aber das war für ihn eine Frage des Überlebens. Iffat-bibi und ihre Leute mußten das verstehen. Warum also war Suleiman Isa neuerdings Parulkars Feind?
Sartaj wußte es nicht, und Parulkar selbst wollte er nicht fragen. Er hatte sich aus Parulkars großen Geschäften immer herausgehalten, hatte nichts wissen wollen über sein ausgeklügeltes Netzwerk aus Protektion, Geld und Beziehungen. Er wollte nichts wissen, weil er nicht dazugehören wollte. Er fürchtete die Anziehungskraft dieses weitverzweigten Systems aus Ehrgeiz, Reichtum und Macht, er hatte Angst, hineingezogen zu werden und nichts dagegen tun zu können. Ja, vielleicht hatte Iffat-bibi recht, vielleicht war er ein Feigling. Er hatte nicht den Mut, auf dieses Karussell aufzuspringen.
Eine Sache ließ ihm keine Ruhe, während er durch Mahim fuhr: Hatte Papa-ji auch Angst gehabt? Vielleicht hatte seine Integrität in Wirklichkeit auf Angst beruht, und vielleicht galt das auch für Sartajs eigenes bescheidenes Maß an Integrität. Vielleicht hatten sie beide nicht genug Format, um allzuviel zu verlangen. Kleine Belohnungen für kleine Herzen. Doch es führte kein Weg um dieses dornige Hindernis herum. Sartaj wollte nichts mit Iffat-bibi zu tun haben. Er wollte nichts über Parulkar wissen, Punktum. Er beschleunigte und versuchte alles hinter sich zu lassen.
Sartaj traf sich mit Kamala Pandey in einem Café in der S. V. Road. Sie wolle am Nachmittag in Bandra shoppen, hatte sie gesagt, und das Café sei für sie günstig gelegen. Sie saß an einem der hinteren Tische, neben sich zwei volle Einkaufstüten und Umesh. Sartaj hatte den Piloten nicht erwartet, aber nun war er da, blendend aussehend in seinen schwarzen Jeans und dem weißen T-Shirt. Er hatte den Arm um Kamalas Schulter gelegt, und Sartaj fragte sich, ob die beiden wieder ein Paar
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