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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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gesagt, mich zurücklehnen und ausruhen.«
    Ich wußte aus langjähriger Erfahrung, daß er sich weder durch Argumente noch durch Verlockungen würde überreden lassen, die Diskussion war also beendet. »Na gut«, sagte ich. »Es war schön, mit Ihnen zusammenarbeiten, Mr. K. D. Yadav.« Er sollte wissen, daß ich seinen richtigen Namen kannte, ihn jedoch aus Respekt während unserer jahrelangen Zusammenarbeit wie gewünscht stets Mr. Kumar genannt hatte.
    »Sehr gut, Ganesh. Ich hatte keinen Zweifel daran, daß Sie Ermittlungen über mich anstellen und meinen Namen in Erfahrung bringen würden.«
    »Ich habe von Ihnen gelernt, Saab.«
    Und so verschwand er aus meinem Leben, mein ferner Lehrer. Er machte mich mit seinem Nachfolger bekannt, einem Mr. Joshi, und hielt noch etwa einen Monat lang Kontakt, um den Übergang zu erleichtern. Ich hatte den wahren Namen dieses Mr. Joshi schnell herausgefunden - Dinesh Kulkarni - und sagte Mr. Kumar sehr deutlich, was ich von ihm hielt. »Dieser Mann ist ein Dummkopf, Saab. Er sitzt in Delhi und will mir sagen, wieviel Geld ich wohin schicken und wie viele Männer ich in einer Operation einsetzen soll. Er zweifelt an mir und meinen Quellen und redet mit mir, als wäre ich sein Bediensteter.«
    »Haben Sie Geduld, Ganesh«, sagte Mr. Kumar. »Sie beide müssen sich eben aneinander gewöhnen.«
    Ich übte mich also in Geduld, aber dieser Mistkerl von Kulkarni gewöhnte sich weder an mich noch an sonst etwas. Es wunderte mich, daß man die Sicherheit unseres Landes so einem Gaandu anvertraute, andererseits hatte ich schon in allen möglichen Berufen Gaandus an die Spitze aufsteigen sehen. Ich mußte mich nun mal mit diesem speziellen Gaandu herumschlagen. Unterdessen zog sich Mr. Kumar endgültig zurück. Ich machte weiter.

    Wir verfaßten das Drehbuch zu meinem Film zwischen Ko Samui und Patong. Ich für mein Teil bevorzugte die anhaltende Ruhe von Samui, aber die Jungs wollten das drangvolle Chaos von Patong. Ich gestand ihnen zu, jede dritte Woche in den Bars und am Strand zu verbringen, und lenkte unseren Bug dann wieder der Ruhe entgegen. Dadurch daß Manu Tewari an Bord war, hatten sie nun auch auf hoher See noch eine andere Beschäftigung als ihr ewiges Kartenspiel. Es war spannend für sie, mitzuerleben, wie eine Geschichte Form annahm, wie Figuren entstanden. Sie diskutierten endlos über den Plot, bestürmten Manu um neue Szenen, taten ihre Meinung kund, machten Vorschläge, erzählten ihm ihre eigene Geschichte. Sie identifizierten sich stark mit dem Helden des Films, und jeder von ihnen schmollte, wenn Manu sich weigerte, irgendeine für diesen Helden erdachte neue Wendung oder Idee in den Film aufzunehmen. Ein paarmal mußte ich eingreifen und ein Veto zu einem Vorschlag aussprechen, bevor Manu zusammengeschlagen oder über Bord geworfen wurde. Derweil ging unser normales Leben natürlich weiter: Ich sprach jede Woche mit Kulkarni und führte seine geheimdienstlichen Operationen durch, sammelte Informationen und brachte ab und zu irgendeinen Mistkerl für mein Land um die Ecke; ich holte Guru-jis Rat ein und kümmerte mich um seine Lieferungen; ich telefonierte mit Jojo und lachte mit ihr; ich traf mich mit Zoya und nahm sie. Doch egal, was wir taten, während dieses halben Jahres ging uns ständig der Plot des Films durch den Kopf, wir waren regelrecht besessen davon. Wir redeten morgens, abends und nachts darüber, berieten über das Casting und hörten uns begierig die Songs an, sobald sie aus dem Aufnahmestudio kamen. Und wir wichen Manu Tewari nicht von der Seite.
    Mochte er auch nur mittelgroß sein und alles andere als ein harter Bursche, so war Manu doch ein echter Dickschädel. Er aß anstandslos, was man ihm auf den Teller legte, beschwerte sich nicht, wenn man umschaltete, während er die Nachrichten schaute, aber wenn man versuchte, ihm in seine Szenen hineinzureden, wurde er wild wie eine gelbzahnige Muttersau, die ihre Ferkel verteidigt. Ich war sein Finanzier, sein Zahlmeister, vor allem aber war ich Ganesh Gaitonde, doch er widersprach selbst mir, stritt mit mir herum und beharrte auf seinen Entscheidungen. Manchmal zuckten die Jungs richtig zusammen, wenn unsere Drehbuchsessions besonders hitzig und unsere Stimmen lauter wurden und Manu Tewari es wagte, unhöflich zu sein. Doch ich tolerierte ihn, denn er war ein guter Autor. Er schrieb mir eine starke Geschichte. Außerdem lernte ich von ihm. Im Laufe der Wochen, in denen ich mit Manu Tewari

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