Der Pate von Bombay
gehen. »Einmal reicht nicht«, sagte sie. »Ich finde Arnold einfach toll.« Ich wußte, wer Arnold war, einer der Jungs hatte im letzten Jahr eine Raubkopie eines seiner Filme aufs Boot mitgebracht. Die Spezialeffekte hatten mir natürlich gefallen, aber insgesamt hatte mich der Film gelangweilt. Wie viele dieser amerikanischen Streifen klammerte er sich verzweifelt an einer einzigen guten Idee fest, so daß die inhaltliche und emotionale Bandbreite eher dürftig war. Die Szenen erschienen mir flach, denn selbst in den dramatischsten Momenten sprachen die amerikanischen Schauspieler immer leise miteinander, als unterhielten sie sich über den Preis von Zwiebeln. Und es gab keine Songs. Letzten Endes waren die amerikanischen Filme dröge und unrealistisch, deshalb interessierten sie mich nicht sonderlich. Doch Zoya schaute nun mit der gleichen Miene, mit der sie am Tag zuvor mich angesehen hatte, zu dem glänzenden Stahlskelett des Terminators und dessen rotglänzenden Augen auf. Selbst durch ihre Brillengläser sah ich, wie ihre Augen passend zu seinen, leuchteten. Sie merkte, daß ich sie beobachtete, und gab mir schnell einen Kuß auf die Backe. »Ich muß ja zugeben«, sagte sie mir ins Ohr, »manchmal träume ich davon, einen Oscar zu gewinnen. Da oben zu stehen. Und das beste daran wäre, daß ich dann Arnold kennenlernen würde.«
Arnold. Sie sprach den Namen dieses Mistkerls aus, als würde sie ihn schon persönlich kennen, als hätte sie mit ihm zusammen am Strand von Chowpatty Pani-Puri gegessen. Wir gingen weiter und sahen uns die übrigen Attraktionen und Filmsets an. Wir verließen die Universal Studios um fünf, sie gickelnd und glücklich, ich völlig ausgelaugt. In der Limousine erzählte sie mir Geschichten über weitere amerikanische Filme und deren Stars. Ich hörte ihr zu und fragte schließlich: »Saali, wie viele von diesen Filmen schaust du dir eigentlich an?«
»Normalerweise einen pro Tag. Ich habe einen kleinen tragbaren DVD-Player, den kann ich auch zu den Dreharbeiten mitnehmen. Manchmal schaue ich mir auch mehr als einen Film an, selbst an Drehtagen. Es ist eine gute Methode, mein Englisch zu verbessern. Sie sollten das auch tun. Suleiman Isa schaut sich jeden Tag englischsprachige Filme an.«
Ich kniff sie in die Unterlippe. »Woher weißt du das?«
»Are, das weiß doch jeder.«
Sie hatte recht. Suleiman Isas regelmäßiger Filmkonsum war allgemein bekannt. »Aber sie täuschen sich alle«, sagte ich. »Er interessiert sich nicht wirklich für Filme. Es gibt genau drei Filme, die er sich immer wieder ansieht, jeden Abend einen, und wenn er durch ist, fängt er wieder von vorne an.«
»Was?«
»Doch, das stimmt. Wir haben verläßliche Informationen dazu, aus seinem eigenen Umfeld. Er guckt sich immer wieder die drei Folgen von Der Pate an.«
»Nein! Ehrlich?«
»Ja.«
»Warum denn?«
»Frag den Mistkerl selbst. Er ist verrückt.«
Sie nickte. »Und haben Sie die Filme gesehen, Saab?«
»Ich habe den ersten gesehen.«
»Und er hat Ihnen nicht gefallen?«
»Er war ganz okay. Aber ich fand Dharmatma besser. Selbst Daryavan .«
Sie brach in schallendes Gelächter aus und schlang die Arme um mich. »Sie reisen um die ganze Welt, Saab, aber Sie haben einen absolut provinziellen Geschmack. Sie sind ja so süüüüß.« Dann küßte sie mich, legte mir die Hand in den Schoß und zeigte mir, wie süß ich war, und ich vergaß Suleiman Isa und seinen Paten, diesen Chutiya. Später am Abend allerdings, als sie schon schlief, lag ich wach und dachte über amerikanische Filme nach. Meine Jungs sahen sich ständig amerikanische Actionfilme an. Sie sagten immer, ihnen gefielen die Stunts und die Spezialeffekte. Warum schaute Suleiman Isa immer wieder Der Pate ? Ich hatte darüber noch nie nachgedacht, doch als ich jetzt unter diesem fremden Himmel im Bett lag, von den niemals erlöschenden Lichtern der Stadt wachgehalten, kam mir der Gedanke, daß er sich diese Filme vielleicht aus dem gleichen Grund ansah, aus dem ich International Dhamaka gedreht hatte. Er wollte begreifen, was mit ihm geschehen, wer er geworden war. Zum ersten Mal fühlte ich eine Art Verwandtschaft zwischen uns.
Wer war ich geworden? Ein anderer. Während ich versuchte zu fassen zu kriegen, inwiefern ich mich verändert hatte, was genau mit mir geschehen war, spürte ich, wie sich in meinem Bauch ein Wurm des Zweifels regte und zu meinem Herzen hochkroch. Zoya hatte gesagt, ich sähe jetzt umwerfend aus, könnte
Weitere Kostenlose Bücher