Der Pate von Bombay
Niederländer hatte kaum Zeit zum Schreien, bevor sie sich auf ihn stürzten. Ich öffnete eine Tür und sah eine funkelnde Toilette, ein Luxusbadezimmer mit allen Schikanen. Diese hochrangigen Sadhus schöpften aus dem vollen, soviel war sicher. Ich schaltete das Licht ein und sah mich im Spiegel: knallrote Augen, Blutspuren im Gesicht. Ich wusch mich, während nebenan der Niederländer unter einem Hagel dumpfer Schläge stöhnend starb.
Als ich aus dem Bad trat, brachten die Jungs gerade ihre Kleider in Ordnung. »Das Ding sollten Sie abwischen, Bhai«, sagte Nikhil, noch außer Atem. »Fingerabdrücke.«
An dem Altar hingen Haare und Hautfetzen. »Nehmt ihn mit«, sagte ich. »Den entsorgen wir unterwegs.«
Als die Jungs sich gewaschen hatten, brachen wir auf. Wir spazierten ganz cool und gemächlich hinaus zum Auto, stiegen ein und fuhren mit gleichmäßiger Geschwindigkeit zum Tor. Wir winkten den Sadhus zu, und weg waren wir.
Wir hatten alles für unsere Weiterfahrt vorbereitet. In unserem sicheren Haus erwarteten uns frische Kleider zum Wechseln und ein schwarzer Sumo. Ich hatte die Jungs gut geschult. In weniger als einer Viertelstunde hatten wir das Haus saubergemacht und den Sumo gepackt. Wir wischten den Maruti Zen, mit dem wir zum Ashram gefahren waren, komplett ab, und dann machten wir uns auf den Weg. Wir hielten uns nach Süden, in Richtung Delhi. Wir überholten lange Reihen von Bussen und schwerbeladenen Lastern und fuhren eine Weile hinter einer Hochzeitsgesellschaft her. Es dämmerte, und ich war vollkommen ruhig. Jetzt würde Guru-ji mit mir reden müssen. Ich hatte etwas Schlimmes getan, und er würde mich bestrafen müssen. Er würde mich anrufen, um mich zurechtzuweisen. Ich würde mich natürlich entschuldigen, würde ihm alles erklären, und er würde mich verstehen. Er würde mir verzeihen.
Wir hatten die Fabriken, die Geschäfte und Dhabas hinter uns gelassen, und nun erstreckten sich die Raps- und Weizenfelder bis zum dunkler werdenden Horizont. Die Strommasten rasten auf uns zu, schwangen ihre Leitungen über uns hinauf und hinab. Wenn ich als Kind mit dem klapprigen Bus von Digadh nach Nashik gefahren war, hatte ich mir immer vorgestellt, daß diese Masten nach mir riefen, sobald ich sie hinter mir ließ und sie in die Vergangenheit sanken. Doch in jener weit zurückliegenden Zeit hatte ich nie so viele wohlhabende Höfe gesehen, solide Häuser mit Satellitenschüsseln und in den Himmel ragenden Antennen. Alles hatte sich verändert.
Und doch hatte sich nichts verändert. Das konnte ich im ganzen Land beobachten. Im Laufe der folgenden Wochen reiste ich mit Nikhil und den Jungs durch Indien, ein Bharat-Darshan im Zickzackkurs. Wir fuhren zu Guru-jis Ashrams, seinen Büros, seinen Geschäftsräumen. Wir folgten Hinweisen, Gerüchten, Ahnungen und spontanen Eingebungen. Und so ging es von Chandigarh über Delhi nach Ajmer, von Nagpur über Bhilai nach Siliguri. Zurück nach Jaisalmer, dann nach Jammu, Bhopal und Digboi. In Cochin machten wir eine Woche halt, damit Nikhil, der sich eine Darmgrippe zugezogen hatte und alle halbe Stunde stöhnend aufs Klo rannte, mit Antibiotika dagegen angehen konnte. Wir mieteten einen Ferienbungalow nicht weit vom Meer und sahen zu, wie die chinesischen Fischernetze aus dem Wasser auftauchten und wieder verschwanden. Unterdessen quälte sich Nikhil weiterhin, und der Arzt verordnete einen Test nach dem anderen. Nach elf solcher Tests erklärte ich dem Mistkerl, daß ich sein Spiel durchschaute und er seine illegale Provision gefälligst auf anderem Weg kassieren solle. »Illegale Provision, Saar 542 ?« fragte er mit seinem Malayali-Akzent unschuldig nach.
»Vielleicht nennen Sie das hier unten anders«, sagte ich ihm, »aber die dreißig Prozent, die Sie vom Labor bekommen, sind genau das. Darauf wette ich tausend Lakhs. Sie wollen dreißig Prozent? Die können Sie kriegen.« Ich ließ ihn meinen Handrücken spüren. Danach war er still und gefügig wie eine geprügelte Randi, er verabreichte Nikhil seine Kapseln, senkte den Kopf und ging. Ich hatte es mir nicht verkneifen können, diesen Mistkerl in seine Schranken zu weisen, doch es war schlechtes Handwerk gewesen. Wir durften nicht auffallen. Aber dieser Gaandu hatte mich einfach verärgert. Er trug Jeans, fuhr einen Ford Capri und redete ständig davon, daß er die »allerneusten« Medikamente verteilte, doch tatsächlich verrichtete er seine Arbeit wie jeder beliebige Dorfarzt, der
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